Nicht schön, Herr Scholz!

Nicht schön, Herr Scholz!

„Sind Sie sich bewusst, dass bei 2 Grad Erderwärmung bereits Milliarden von Menschen vom Hungertod bedroht sind?“ Und: „Können Sie sich emotional damit verbinden?“ sind einige der Fragen, mit denen Lea Bonasera und Henning Jeschke versuchen, eine Basis für ein gemeinsames Gespräch mit Olaf Scholz zu schaffen. Das Scheitern dieses Versuchs zeigt in beängstigender Klarheit das Missverhältnis zwischen Politik und Realität.

Und wieder ist eine historische Chance vertan. Nämlich die Chance, einen ehrlichen Dialog mit der jüngeren Generation zu führen. Wer sich fragt, warum unsere Regierung trotz der Tatsache, dass alle notwendigen Informationen seit mindestens 40 Jahren auf dem Tisch liegen, noch immer keinen funktionierenden Weg aus der Klimakrise einschlägt, der bekam am Freitag die Erklärung.

Am vergangenen Freitag wollten Lea Bonasera und Henning Jeschke von der Initiative „Letzte Generation[1]“ (siehe auch: „Die Sorgen der Kinder und Jugendlichen“) mit Herrn Scholz über den Klimanotstand sprechen.
Ziel dieses Gesprächs war, die Öffentlichkeit über die Dringlichkeit der Klimakrise zu informieren. Sie versuchten Olaf Scholz dazu zu bringen, die Bedrohlichkeit der Lage anzuerkennen. Nämlich dass die Situation nicht unter Kontrolle ist, und dass wir auf eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes zusteuern. Sehr deutlich wurde, dass Olaf Scholz nicht dazu bereit war.

„Ich bin dazu in der Lage [, die Klimakrise zu meistern].“, sagt er und findet viele weitere schöne Worte. Er verweist auch wieder auf die Verantwortung der anderen Nationen. Er klingt wie sein eigenes Wahlprogramm und philosophiert monoton über deutsche Ingenieurskunst. Und er spricht vom Strombedarf der Industrie in den künftigen Jahrzehnten.

Dass er als Spitzenpolitiker meint, sich kein Anzeichen von „Schwäche“ erlauben zu dürfen, ist eine Sache. Dass er in keiner Weise auf die Ängste und die Verzweiflung der jungen Generation eingeht, ist ein Skandal. Den Jugendlichen wirft er vor: „Es ist für Sie unangenehm, sich mit der Zukunft zu beschäftigen, deshalb tun Sie das und verweigern sich. […] Das ist nicht akzeptabel, dass Sie keinen einzigen praktischen Vorschlag haben.“

Wie bitte? Wessen Hausaufgaben waren das?

 Hennig Jeschke versucht es immer wieder: „Warum sitzen wir hier und müssen versuchen das an Sie heranzutragen? […] Niemand hat einen Plan, um uns hier rauszuführen aus der Katastrophe. Und die jungen Menschen, die verstehen das. Und die sehen das. Die Hälfte von ihnen hat tägliche Angstvorstellungen vor der Zukunft in der Klimakatastrophe, weil ihr direkter Alltag betroffen sein wird.“

Olaf Scholz` Ansicht klingt so: „Nein, ich teile diese Beschreibung nicht. Sie machen es sich auch ehrlicherweise viel zu bequem, weil sie lauter sehr ernsthaften Politikerinnen und Politikern in allen Parteien, bei den Grünen, in meiner Partei, bei der FDP, sogar in der CDU kenne ich welche, die das Thema sehr ernst nehmen und das auch bekämpfen wollen, den Klimawandel, absprechen, dass sie das ernst nehmen. Wie kommen Sie eigentlich auf diese größenwahnsinnige Selbstüberschätzung?“

Apropos Selbstüberschätzung: Relativ früh im Gespräch sagte Scholz: „Ich möchte sicherstellen, dass es nicht passiert, dass Menschen Hunger leiden. Ich möchte sicherstellen, dass niemand Durst bekommt. Ich möchte sicherstellen, dass es nicht zu Katastrophen kommt, wo sich Menschen nicht mehr selbst, dort wo sie leben, ernähren können und der Klimawandel diese Auswirkungen hat.“

Aha.

Die Kommentare in den Sozialen Medien beschäftigen sich viel mit der Atmosphäre des Gesprächs. Welche Fragen waren ungeschickt gestellt? Wie hätte es besser laufen können?

Doch dies lenkt am Ende nur von den Inhalten ab. Einer bringt es aus meiner Sicht gut auf den Punkt: „Austausch auf Augenhöhe ist vorbei. Den hat es ja vorher auch nie gegeben. Das wäre vor 20-30 Jahren schön gewesen. Jetzt haben wir nur noch einige wenige Jahre, um überhaupt gravierende Änderungen vornehmen zu können. Und leider ist es so, dass gerade auch Politiker wie Scholz durch ihre Politik den Klimaschutz gebremst haben. Das vergessen viele leider auch.“

Gerade deshalb hätte auch keine geschicktere Rhetorik ein anderes Gesprächsergebnis herbeigeführt. Scholz ist Polit-Profi. Mehr als professionelles Geschwafel war von ihm nicht zu erwarten und wird auch künftig nicht zu erwarten sein. Wahrscheinlich haben die Jugendlichen auch nicht ernsthaft mit irgendeiner Spur von Einsicht oder persönlicher Betroffenheit gerechnet. Sie haben die Chance genutzt, ihre Mahnungen in die Öffentlichkeit zu tragen, so wie sie es auch weiterhin mit Seminaren, Vorträgen und Auftritten tun. Es ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie nicht aufgeben – trotz der erschütternden Ignoranz der deutschen Polit-Elite.

Und nun?

Die Aktivisten der „Letzten Generation“ waren auf diese Situation vorbereitet. Sie haben ihr Anliegen vorgebracht und ein Bild dessen gezeichnet, in welche Situation die Politik uns derzeit führt.
Und da die Politik sich systembedingt selbst im Weg steht, nehmen sie die Sache selbst in die Hand:

„Wir sind die Letzte Generation, die den absoluten Klimakollaps noch abwenden kann. 2050 werden 3,4 Milliarden Menschen keine sichere Ernährung haben. Jetzt ist der Zeitpunkt zu handeln. Deshalb haben wir der neuen Bundesregierung ein Ultimatum gestellt.

Wir fordern:

 1) Die Einführung eines Essen-Retten-Gesetz für den Großhandel noch dieses Jahr. Dieses Gesetz liegt, mit Unterstützung von GermanZero, bereits ausformuliert vor. 

 2) Eine echte Agrarwende – wir fordern die Umsetzung der Maßnahmen für nachhaltige Landwirtschaft, die der Bürgerrat Klima dieses Jahr bereits auf den Tisch gelegt hat.“

Sind diese Forderungen bis Jahresende nicht erfüllt, sollen friedliche, aber spürbare Blokaden von z.B. Autobahnen die Folge sein.

Falls ihr Lust habt, Euch selber einen Vortrag der „Letzten Generation“ zu ihren Forderungen und Zielen anzuhören, findet ihr hier Termine.

Eine Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Lea Bonasera, Henning Jeschke und Olaf Scholz könnt ihr hier ansehen.

 

[1] Gemeint ist nicht die letzte Generation der Menschheit, sondern die letzte, die noch das Schlimmste verhindern kann.

Titelfoto: Stefan Müller

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Paula