Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit

Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit

Geschlechtsspezifische Aspekte der Klimakrise? Was soll das? Trifft die Klimakrise nicht uns alle gemeinsam?

Der Internationale Frauentag 2022 war auch in Braunschweig ein Anlass, um am 8. März auf die Straße zu gehen. Ein langer, lauter Demo-Zug führte durch die Innenstadt. In Sprechchören, aber auch in den Redebeiträgen machten vor allem jüngere Frauen – darunter auch eine Vertreterin der Fridays for Future-Bewegung – deutlich, dass die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit heutzutage weit über die Forderungen nach Lohngleichheit und Gewaltschutz hinausgehen.  Die aktuellen Krisen sind eng mit der Benachteiligung von Frauen verknüpft.

Auch die 66. UN-Frauenkommission, die im März 2022 in New York tagt, wird unter das Thema gestellt: Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle aller Frauen und Mädchen im Rahmen des Klimawandels, der Umwelt und der Katastrophenvorsorge.

Warum dieser Zusammenhang so wichtig ist, möchte ich an drei Aspekten erläutern:

  1. Geschlechtsspezifische Folgen der Klimakrise

„Nicht erst seit der Covid-19 Pandemie wissen wir, dass Extremereignisse, wie Kriege, Vertreibung, Flucht, Naturkatastrophen oder Pandemien, sich auf Frauen und Mädchen besonders negativ auswirken und die bestehenden Ungleichheiten vertiefen.“ (UN women Statement, 2022)

Global gesehen sind Hunger und Flucht die bereits offensichtlichsten Folgen des fortschreitenden Klimawandels. Hier sind Frauen in vielfacher Hinsicht besonders betroffen. Zum einen sind sie nach wie vor in der Regel für die Versorgung der schwächeren Familienangehörigen mit zuständig. Im globalen Süden liegt sowohl die Nahrungsmittelherstellung wie auch die Versorgung der Familie mit sauberem Trinkwasser in der Verantwortung von Frauen. Beides wird durch den Klimawandel erschwert und beeinträchtigt zunehmend die Gesundheit insbesondere von Kindern und Frauen. Hinzu kommt, dass Frauen in Kriegen und auf der Flucht in besonderem Maß Gewalt und sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind. Auch in diesen Extremsituationen obliegt den Frauen oft zusätzlich die Sorge um Familienangehörige, was ein Erreichen sicherer Zufluchtsorte für viele unmöglich macht. Weltweit sind mehr Frauen und Kinder als Männer auf der Flucht, sie erreichen aber zu einem weitaus geringeren Anteil ein sicheres Aufnahmeland.
Diese besondere Betroffenheit von Frauen ist nicht nur in den Ländern außerhalb von Europa spürbar. Auch bei uns verschärft jede Krise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, verschärft die Situation für die in der Sorgearbeit Tätigen (80% Frauen) und lässt die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern ansteigen. Nur ein bewusster Blick auf die geschlechtsspezifischen Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen und gezielte Gegenmaßnahmen können dieser Entwicklung entgegenwirken.

  1. Geschlechtsspezifische Ursachen der Klimakrise

In unserem Artikel Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit haben wir bereits beschrieben, wie der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase (der persönliche Klima-Fußabdruck) und Reichtum miteinander verknüpft sind. Dies möchte ich um den Geschlechteraspekt erweitern. Die zehn reichsten Menschen der Welt sind Männer. Während der Pandemie haben sie ihr Vermögen verdoppelt. Frauen stellen die Hälfte der Weltbevölkerung, leisten 75% aller Arbeitsstunden, beziehen aber nur 10% aller Einkommen und verfügen über 1% allen Besitzes. 70% aller von Armut betroffenen Menschen weltweit sind Frauen. Eine Oxfam-Studie kommt zu dem Ergebnis: „Wenn die reichsten Männer morgen 99,99 Prozent ihres Vermögens verlieren würden, wären sie immer noch reicher als 99 Prozent aller Menschen auf dem Planeten.“
https://www.globalcitizen.org/de/content/oxfam-inequality-report-2022-billionaires-covid-19/#!

Ein so immenser Reichtum bedeutet nicht nur einen entsprechend hohen CO2-Fußabdruck, sondern ein riesiges Potential, wirkungsvolle Maßnahmen gegen den fortschreitenden Klimawandel zu finanzieren und soziale Not und Hunger zu verhindern. Bei den reichen Männern dieser Welt stehen jedoch leider eher Anschaffungen wie teure klimaschädliche Yachten, Flüge ins Weltall und profitträchtige Investitionen auf der Agenda.

Dem gegenüber stehen die ungezählten normal- und geringverdienenden Menschen (Hier finden wir dann wieder Frauen in der Mehrheit!), die sich in ihrem arbeitsreichen Alltag um fleischarme Ernährung, klimafreundliche Mobilität und einen sparsamen Energieverbrauch bemühen.
Die Bereitschaft, das eigene Alltagsleben den Anforderungen, die sich aus dem Klimawandel ergeben, anzupassen, ist bei Frauen im Durchschnitt höher als bei Männern, die finanziellen Möglichkeiten hierzu aber zugleich erheblich geringer.

Beim Vorbereitungstreffen zur 66. Frauenrechtskommission wurde ein geschlechtsspezifischer Unterschied im Umgang mit den klimabedingten Herausforderungen etwas plakativ so formuliert: „Männer suchen nach technischen Lösungen, Frauen ändern ihr Leben.“ Dieser überspitzte Satz soll nicht die Leistungen und das Engagement von Männern im Klimaschutz leugnen oder herabsetzen. Vielmehr soll er deutlich machen, dass ein Mehr an Geschlechtergerechtigkeit dem Klimaschutz zu Gute käme. Und davon würden wieder alle profitieren.

3.       Frauen als Motor für Klimaschutz und Frieden

Weltweit engagieren Frauen sich für Frieden und Klimaschutz, oftmals unter prekären und lebensbedrohenden Bedingungen. Auch in der deutschen Klimabewegung spielen Frauen eine maßgebliche, wichtige Rolle. Ohne sie wäre die Fridays for Future-Bewegung gar nicht vorstellbar.

Sowie es jedoch in die höheren Sphären geht, dorthin, wo nicht nur die redegewandte mitreißende Stimme auf der Demo, das kreative Organisationstalent und der unermüdliche Einsatz vor Ort gefragt sind, sondern maßgebliche politische Richtungsentscheidungen mit globalen Auswirkungen diskutiert und verabschiedet werden, – dort wird der Frauenanteil wieder dünn. Insbesondere Frauen aus dem globalen Süden – also die am meisten betroffene Gruppe – ist bei Klimakonferenzen eklatant unterrepräsentiert.

Das gleiche Bild zeichnet sich auch in Friedensprozessen ab. Dabei fordert die UN-Resolution 1325 seit über 20 Jahren, dass Frauen auf allen Ebenen der institutionellen Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten zu beteiligen sind. Frauen sollen bei allen Entscheidungen über Krieg und Frieden einbezogen und die Genderperspektive berücksichtigt werden. Dabei geht es nicht nur um einige wenige Frauen in Machtpositionen, sondern um die Perspektive der Zivil-Bevölkerung. Studien belegen, dass eine Beteiligung von Frauen und Frauenprojekten an Friedensprozessen die Chance auf eine dauerhafte Wirkung der erarbeiteten Beschlüsse um 35% erhöht.

Der Umkehrschluss ist: Frauen aus den internationalen Entscheidungsprozessen herauszuhalten, ist eine Gefahr für das Klima und für den Weltfrieden. Die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Miteinanders steht nicht nur im engen Zusammenhang zum dringend erforderlichen Klimaschutz, sondern wird mehr und mehr zu einer elementaren Voraussetzung für unser gemeinsames Überleben auf diesem Planeten.

(Das Beitragsbild entstand bei der Friedens-Demo, zu der Fridays for Future am 3. März aufgerufen haben.)

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Frieda