Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit

Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit

Klimaschutz lässt die Preise steigen. Steigende Preise belasten vor allem diejenigen, die ein geringes Einkommen haben. Also ist Klimaschutz automatisch unsozial?
Nein. Im Gegenteil.

Es entsteht im öffentlichen Diskurs schnell der Eindruck, dass Klimaschutz eine Frage der Finanzierbarkeit ist und die soziale Schieflage in unserer Gesellschaft zwangsläufig verschärft. Steigende Energie- und Lebensmittelpreise, wie wir sie bereits erleben, scheinen dies zu untermauern.

Ein verheerender Trugschluss.

Zum einen ist Klimaschutz immer die günstigere Variante verglichen mit den Folgekosten eines ungebremsten Klimawandels. Im Falle einer Klimakatastrophe erübrigen sich die Fragen nach den Kosten und wer sie trägt dann endgültig.

Dass momentan insbesondere die kleinen und mittleren Einkommen für die notwendige gesellschaftliche Transformation bezahlen, ist eine politische Entscheidung. Es ist eine Entscheidung, die eine lange, parteienübergreifende Tradition hat. Die sich immer weiter öffnende soziale Schere in diesem Land ist dafür das deutlichste Anzeichen.

Dabei weisen die meisten Konzepte für einen wirkungsvollen Klimaschutz in eine völlig andere Richtung. Schon im letzten Jahr haben wir hier im Freitags-Blog die Idee der Klima-Dividende vorgestellt. Grundprinzip ist dabei, dass diejenigen, die den größten CO2-Ausstoß verursachen, auch am intensivsten zur Kasse gebeten werden. Das vom Staat durch die CO2-Bepreisung eingenommene Geld wird komplett wieder an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt. Hierdurch würde für geringe und mittlere Einkommen sogar ein Plus entstehen – trotz höherer Preise.

Die Idee ist logisch und konsequent: Wer den größten Dreck verursacht, muss auch für die Folgekosten geradestehen. Klimaschonendes Verhalten wird honoriert, klimaschädliches Verhalten wird teuer. Dieser Hebel für mehr Klimaschutz würde in erster Linie die Einkommen treffen, die es sich leisten können, denn „in Deutschland sind die reichsten 10% der Bevölkerung für mehr CO2-Ausstoß verantwortlich als die gesamte ärmere Hälfte.“ (ver.di publik, 7/2021)

Der jetzige Weg, in erster Linie die finanziell Schwächeren mit den steigenden Preisen zu belasten, ist nicht nur ungerecht und kurzsichtig, sondern zugleich im Hinblick auf eine Verringerung des CO2-Verbrauchs wirkungslos. Zum einen sinkt dadurch die Akzeptanz gegenüber Klimaschutzmaßnahmen. Zum anderen sind Menschen mit geringem Einkommen gar nicht in der Lage, die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Sie brauchen ihr Einkommen in der Regel jetzt schon, um über die Runden zu kommen. Zum Dritten würde selbst ein konsequent nachhaltiges Verhalten in den Privathaushalten dieser Einkommensgruppen gar nicht die notwendige Menge an CO2 einsparen. Mit anderen Worten: Klimaschutz funktioniert nur mit einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit.

Inzwischen ist diese Erkenntnis vielfach aufgegriffen, verfeinert und durchgerechnet worden. So sind Forderungen nach einem Klima-Bonus (Studie des IMK/ Hans-Böckler-Stiftung) oder einer Klima-Prämie (Studie von Agora Energiewende/Agora verkehrswende/Freie Universität Berlin/Öko-Institut e.V.) entstanden, also nach einer solchen Ausgleichszahlung, die jährlich und pro Kopf erfolgt. Das Grundprinzip ist in beiden Studien das gleiche wie bei der Klima-Dividende.
„Durch eine Rückverteilung der Einnahmen mittels einer „Klimaprämie“
von 100 Euro pro Kopf und Jahr sowie einer Stromsteuersenkung von rund 2 Cent je
Kilowattstunde lassen sich sozial unausgewogene Verteilungswirkungen weitgehend
vermeiden. Haushalte mit niedrigem Energieverbrauch werden durch eine solche Reform unterm Strich entlastet, während Haushalte mit hohem Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß höhere Kosten zu tragen haben. Untere und mittlere Einkommensgruppen erhalten im Durchschnitt mehr Geld zurück als sie für ihren – vergleichsweise geringen – CO2-Ausstoß bezahlen.“
(https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/CO2-Bepreisung-sozial-ausgewogen.pdf)

Gewerkschaften stellen sich hinter diese Idee, auch Bündnis 90/Die Grünen hat sie aufgegriffen – zumindest im Wahlkampf, bevor die Partei in die Regierung aufstieg. Sogar ein Ausgleichsfond für Härtefälle ist in der oben genannten Studie zur Klima-Prämie mit einberechnet, so dass auch Sonderfälle berücksichtigt werden, z.B. Pendlerinnen und Pendler mit kleinem Einkommen.

Eine solche jährliche Ausgleichzahlung würde in erster Linie den finanziell Schwächeren zugutekommen, Familien entlasten und soziale Not mildern. Rein rechnerisch würde sie die soziale Schere natürlich noch bei Weitem nicht schließen und die Kinderarmut in diesem Land kaum verringern. Es wäre nur ein kleiner, wichtiger Baustein für die notwendige sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft.

Aus meiner Sicht ist die Wirkung eines solchen Konzeptes weniger in Euro zu messen. Viel wichtiger erscheint mir die Haltung, die diesen Konzepten gleichermaßen zugrunde liegt, ganz gleich ob die Auszahlung nun „Bonus“, „Prämie“ oder „Dividende“ genannt wird und mit welcher CO2-Bepreisung in den unterschiedlichen Studien gerechnet wird. Die Vorstellung, dass jeder Mensch von Geburt an einen Anspruch auf diese Auszahlung hat, impliziert ein Grundrecht: Das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft, das sich – genau wie andere Grundrechte – niemand erst erarbeiten muss. Denn um Teil der Gesellschaft zu sein, ist ein gewisses Maß an Mobilität, Konsum und Energieverbrauch die zwingende Voraussetzung. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jedes Mitglied unserer Gemeinschaft sich diesen Mindeststandart an Mobilität, Konsum und Energie leisten kann.

Eine bedingungslose Ausgleichszahlung für alle bei gleichzeitiger effizienter CO2-Bepreisung wäre daher nicht nur eine effektive Klimaschutzmaßnahme, sondern ein erster Schritt für ein gesellschaftliches Umdenken hin zu einer solidarischen Demokratie.

Denn das brauchen wir am dringendsten, um den Klimawandel aufzuhalten: Ein Wandel in den Köpfen. In uns muss die Bereitschaft wachsen, gemeinsam grundsätzlich etwas in diesem Land und global zu verändern. Wir brauchen eine Erde, die ein guter Lebensraum für alle ist und kein Selbstbedienungsladen für Superreiche.

 

Author Image
Frieda