Recht auf Zukunft

Recht auf Zukunft

Letzte Woche sprach das Bundesverfassungsgericht ein bahnbrechendes Urteil: Das jetzige Klimaschutzgesetz ist in Teilen verfassungswidrig und muss überarbeitet werden. Die Deutsche Umwelthilfe verkündet: „Das ist die bedeutendste gerichtliche Entscheidung, die es jemals für den Klimaschutz gab.“ Warum löst ein so nüchtern klingendes Urteil einen solchen Jubel aus?

Es gibt über 1500 Klimaklagen weltweit. Über einige haben wir in einem früheren Beitrag berichtet. Viele davon werden für ungültig erklärt oder das Verfahren zieht sich in die Länge. Das Bundesverfassungsgericht entschied einstimmig. Das Urteil gibt den Klagenden nicht in allen Punkten Recht, übertrifft aber dennoch die Erwartungen der Klimabewegung bei Weitem.

Was ist das Besondere an diesem Urteil?

  1. Die Ausgangslage

Das Urteil erkennt an, dass die planetaren Grenzen erreicht sind. Das verbleibende CO2-Budget wird gerade in einem rasanten Tempo aufgebraucht. Wenn die jetzige Generation nicht sofort rigoros auf die Klimaneutralität hinarbeitet, wird die nächste Generation eine kaum noch zu stemmende Reduzierungslast erben. Dies widerspricht dem §20a des Grundgesetzes, der seit 1994 den Schutz künftiger Generationen garantiert.

  1. Die Folgenabschätzung

Bisher wurde in der Klimabewegung vor allem die Gefährdung der Gesundheit, der Sicherheit und der Lebensqualität durch die drohende Klimakatastrophe thematisiert. Das Bundesverfassungsgericht bringt einen neuen wesentlichen Aspekt in seine Urteilsbegründung ein: Durch das (Nicht)-Handeln der Regierung werden die im Grundgesetz verankerten Freiheitsrechte der kommenden Generationen gefährdet. Mit anderen Worten: Ein „Weiter-so“ dieser Generation sorgt dafür, dass es für die nächste Generation kaum noch einen Handlungsspielraum gibt. Oder etwas plakativer: Klimaschutz heute ist der Freiheitskampf für morgen!

  1. Regierung angeklagt und verurteilt!

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist aktenkundig, dass die jetzige Regierung verantwortungslos gegenüber der jungen Generation gehandelt hat. Dass Regierungspolitiker dennoch ihre Freude über das Urteil verkünden, klingt erst einmal schizophren, ist aber wohl dem Wahlkampf geschuldet – oder der Hoffnung, dass uns diese Widersprüchlichkeit entgeht. Von Erkenntnis, Betroffenheit oder gar Veränderungsbereitschaft ist jedenfalls nichts zu hören.

Wie geht es weiter?

Bis 2022 muss die Regierung ihre Klimaschutzziele nachbessern, was bedeutet, dass die jetzige Bundesregierung sowieso nicht mehr in der Pflicht steht. Es wird auf die Regierung ankommen, die wir im Herbst 2021 wählen. Wie können wir verhindern, dass überalterte, verkrustete Strukturen weiterhin die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder gefährden? Nun, mir würden dazu einige Maßnahmen einfallen: Zum Beispiel Wahlrecht ab 16, Parité-Gesetze, Klimabeiräte und viel mehr Diversität auf den Regierungsbänken. Allerdings sollten wir die Kräfte, die den Status Quo mit aller Macht erhalten wollen, auf keinen Fall unterschätzen.

Daher bleibt nach einem kurzen Innehalten und Feiern nichts anderes als Weitermachen und den Druck von der Straße weiter hochhalten: Demonstrieren, Protestieren, Klagen, Petitionen einreichen und unterschreiben, Artikel verfassen, Leserbriefe schreiben, miteinander diskutieren, neue Wege entwickeln und losgehen.
Wer, wenn nicht wir?

Stellungnahme der Fridays for Future zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Interview mit der Rechtanwältin Dr. Roda Verheyen

Foto: W. Altstädt

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Frieda