Es gibt einen Grund zum Feiern: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klimaklage von sechs jugendlichen Aktivist*innen angenommen und will den Fall sogar mit Priorität behandeln.
Das ist ein wichtiger Schritt auf dem mühsamen Weg zur Klimagerechtigkeit und als Erfolg nicht zu unterschätzen. Zwar können sich alle Menschen aus den 47 Mitgliedstaaten des Europarats an diesen Gerichtshof wenden, wenn sie ihre Grundrechte gefährdet sehen, aber die meisten Klagen werden zurückgewiesen, weil vorrangig die nationalen Gerichte dafür zuständig sind, die Grundrechte ihrer Bürger*innen sicherzustellen. Zudem ist der Gerichtshof nicht gerade unterbeschäftigt, er befasst sich zeitgleich mit mehreren tausend Klagen.
Trotzdem haben die jungen Leute durchgesetzt, dass ihre Klage gegen die Regierungen, die nicht genügend Maßnahmen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze entwickeln und somit gegen das Pariser Klimaabkommen verstoßen, nun behandelt wird. Vorrangig – weil wir keine Zeit mehr haben!
Das ist ein Riesenschritt für die Klima-Bewegung und könnte zu einem Präzedenzfall werden. Der Gerichtsentscheid könnte die betreffenden Länder – Deutschland inklusive – zum Handeln zwingen. Zugleich zeigt die Reaktion des Gerichtshofes, dass das Grundrecht der kommenden Generationen auf einen unzerstörten Lebensraum juristische Relevanz hat und ernstgenommen wird. Endlich!
Über einen ähnlichen Erfolg auf nationaler Ebene konnte die europäische Klimabewegung sich bereits 2019 freuen: Der Oberste Gerichtshof in den Niederlanden verpflichtete den Staat, die Emissionen drastisch zu senken.
Andere Klimaklagen stecken noch in langwierigen Verfahren, z.B.:
- 16 Jugendliche aus 12 verschiedenen Ländern haben 2019 beim Kinderrechtsausschuss der UN eine Klima-Beschwerde gegen Deutschland, Argentinien, Frankreich, Brasilien und die Türkei eingereicht.
- Zehn Jugendliche aus Deutschland im Alter von elf bis 22 Jahren sowie 15 vom Klimawandel bereits massiv betroffene Menschen aus Bangladesch und Nepal haben eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung und den Bundesgesetzgeber beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.
Die Entscheidungen lassen auf sich warten.
Da bleibt zu hoffen, dass der Druck, den der EGMR nun bei der aktuellen Klage ausübt, Wirkung zeigt. Der Gerichtshof hat bereits die 33 Staaten aufgefordert, zu der Klage Stellung zu beziehen.
Die klagenden Jugendlichen sind zwischen 8 und 21 Jahre alt und stammen aus Portugal. Die verheerenden und tödlichen Waldbrände im Sommer 2017 haben sie zu der Klage veranlasst. Auch sie sehen in dem fehlenden Handeln der Regierungen einen Verstoß gegen ihre Menschenrechte. Sie fordern das Recht auf Leben, auf ein unversehrtes Zuhause, auf den Schutz der Familie und auf ein Leben ohne Diskriminierung. Sie sehen ihre Zukunft und ihre Gesundheit durch die ungebremste Erderwärmung bedroht. Und sie wollen – wie die zwanzigjährige Catarina sagt wenigstens „einen Planeten, auf dem man überleben kann.“
(Foto: W. Altstädt)