Der Braunschweiger Radentscheid wurde im Juli vom Rat verabschiedet. Was bedeutet seine Umsetzung für die Mobilität in Braunschweig? Freundlicherweise haben uns Susanne Schroth, Vorsitzende des ADFC, und Andrea Lehne, Koordinatorin des PedaLeo, (Fahrrad-Magazin für Braunschweig) dazu ein paar Fragen beantwortet.

Hallo, Andrea, wieso ist der Radverkehr für dich persönlich wichtig und was hat dich dazu gebracht, Dich beim ADFC zu engagieren?

Andrea: Der Radverkehr ist ein wesentlicher Teil meines Lebens. Zu Beginn dieses Jahres habe ich meinen PKW verkauft, seitdem nutze ich primär das Fahrrad und den ÖPNV, um mich fortzubewegen. Dem ADFC bin ich beigetreten, als ich mir mein aktuelles Fahrrad gekauft habe. Als ich dann im ADFC die Chance bekam, mich im Team des PedaLeo verantwortlich einzubringen, habe ich diese genutzt. Die Arbeit im ADFC ist mir wichtig, denn hier habe ich die Möglichkeit, mich aktiv für die baldige Realisierung der Verkehrswende einzusetzen.

Kannst du etwas zur Arbeit des ADFC selbst erzählen?

Andrea:  ADFC KV Braunschweig e. V. konnte im Februar d. J. sein 40-jähriges Bestehen feiern und auf 40 Jahre erfolgreiche Vereinsarbeit zurückblicken.  Mit der Zunahme der Radfahrenden in Braunschweig, hat sich beim ADFC die Überzeugung verfestigt, es ist genau richtig, was wir machen und wie wir es machen.

Viele Radfahrende nehmen uns sicherlich zuerst über die von uns angebotenen Radtouren wahr, doch das Angebotsspektrum des ADFC ist sehr viel umfassender:

So ist der Arbeitskreis Verkehr in stetigem Kontakt zu anderen Fahrradverbänden und Verantwortlichen in Verwaltung und Politik. Wir beziehen Stellung zur Verkehrsplanung, zu Planungsfeststellungen etc. Aktuell hat der AK Verkehr seine Vorschläge zu wichtigen Projekten bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2021 vorgelegt.

Von April bis Oktober bietet der ADFC die Möglichkeit der „Fahrradcodierung“ als zusätzliche Diebstahlsicherung in Zusammenarbeit mit der VHS im Stadtgarten Bebelhof an.

Mit dem PedaLeo, dem Fahrradmagazin für Braunschweig, bietet der ADFC interessierten Leser*innen eine Mitgliederzeitschrift, die zweimal im Jahr erscheint und über aktuelle Themen rund um den Radverkehr informiert. Die neueste Ausgabe erscheint am 06. Dezember d. J.

Ganz aktuell ist der ADFC Fahrradklima-Test. ( https://fahrradklima-test.adfc.de/teilnahme ) Dieser wird vom ADFC bundesweit durchgeführt und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.  Noch bis zum 30. Nov. 2020 können sich Interessierte an diesem Test beteiligen. Dieser Test bietet allen Teilnehmer*innen die Chance zum Ausdruck zu bringen, wie sie sich fühlen, wenn sie in Braunschweig mit dem Rad unterwegs sind.

Liebe Susanne, wie ist es zum Radentscheid Braunschweig gekommen?

Susanne: Der Ratsbeschluss vom 14.07.2020 „Radverkehr in Braunschweig“ ist ein Meilenstein für die Fahrrad- und Umweltverbände in Braunschweig. Wie hat alles angefangen? So genau kann man das gar nicht sagen, aber im März 2018 gab es einen Vortrag des Fahrradaktivisten Heinrich Strößenreuther im Haus der Kulturen, der berichtet hat, wie es gelungen ist, im Land Berlin ein Mobilitätsgesetz auf den Weg zu bringen. Diese Veranstaltung war die Initialzündung für die Initiative Fahrradstadt Braunschweig – Radentscheid Braunschweig. Diese Initiative entwickelte 7 Ziele für ein Bürgerbegehren zum Radentscheid. Am 20.02.2020 wurde ein Bürgerbegehren mit diesen Zielen bei der Stadt zur rechtlichen Prüfung eingereicht. An diesem Bürgerbegehren haben viele radbegeisterte Menschen in Braunschweig mitgearbeitet. ADFC Braunschweig, VCD, braunschweiger forum und andere arbeiteten ebenfalls mit. Ende April 2020 übergab die Stadt BS die rechtliche Stellungnahme, aus der hervorging, dass das Bürgerbegehren in der eingereichten Fassung überarbeitet werden musste. Dann ging alles vergleichsweise schnell, da die SPD sich mit ADFC, VCD, Fahrradstadt Braunschweig Initiative und braunschweiger forum darauf verständigte, einen Antrag zum Radverkehr in Braunschweig auf der Grundlage der 7 Ziele des Bürgerbegehrens zu verhandeln.  Das Ergebnis ist bekannt, und jetzt arbeiten wir – die Fahrrad- und Umweltverbände – gemeinsam daran, die Umsetzung der einzelnen Punkte zu erreichen.

Kannst du die wesentlichsten Eckpunkte des Radentscheids beschreiben?

Susanne: Das sind die Oberziele, die mit 22 Maßnahmen hinterlegt sind.

Ziel 1: Sicherheit des Radverkehrs erhöhen!
Ziel 2: Attraktives Radverkehrsnetz schaffen
Ziel 3: Radwege sicherer und komfortabler machen
Ziel 4: Bedarfsgerechte, sichere Radabstellanlagen einrichten
Ziel 5: Radwege ganzjährig sauber und nutzbar halten
Ziel 6: Wartezeit an Ampeln verkürzen
Ziel 7: Braunschweig für faires Miteinander im Straßenverkehr sensibilisieren

Entscheidend ist:

• Es soll ein Veloroutennetz entstehen, das die Stadtteile miteinander vernetzt und diese mit dem Zentrum verbindet.
• Es sollen bis 2030 35 km Radwege aus- oder neu gebaut werden.
• Es wurde ein Braunschweiger Standard für die Radwege definiert.

Inwieweit wird sich der Verkehr in Braunschweig durch die Umsetzung des Radentscheids verändern?

Susanne: Der Ratsbeschluss zum Radverkehr vom 14.7.2020 ist auch im Zusammenhang mit dem Mobilitätsentwicklungsplan zu sehen, der seitens der Stadt BS bis 2023 entwickelt wird. Unser Ziel ist es, einen Beitrag zu leisten, die Innenstadt lebenswerter zu machen, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Dies kann u.E. nur mit einer Umverteilung des Verkehrsraums einhergehen zu Lasten des ruhenden und fahrenden Autoverkehrs. Wir wünschen uns:

• Radwege, die so breit sind, dass langsam fahrende Menschen von schneller fahrenden problemlos überholt werden können
• Radwege, die breit genug sind, damit Fahrräder mit Anhängern, Lastenräder, 3-Räder genug Platz haben
• Fahrradabstellanlagen, die sicher und überdacht sind
• Velorouten, die es Bewohnern der Stadtteile ermöglichen auf diesen komfortabel und sicher in die Innenstadt zu kommen

Wie würdest du als Vorsitzende des ADFC den Braunschweiger Radentscheid einordnen?

Susanne: Der Radentscheid ist ein wesentlicher Beitrag zur erforderlichen Verkehrswende und ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zum Mobilitätsentwicklungsplan der Stadt Braunschweig.

Liebe Andrea, gibt es noch etwas, was du mitteilen möchtest?

Andrea: Ich möchte alle Leser*innen einladen, sich über die Arbeit des ADFC KV Braunschweig über diesen Artikel hinaus zu informieren (https://adfc-braunschweig.de)  und bei Interesse unsere Arbeit zu unterstützen.