Seetang und Algen

Seetang und Algen

Tasmanien ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Hotspot. Die Temperatur steigt hier viermal schneller als im globalen Durchschnitt. Seit einigen Jahren untersucht die Universität von Tasmanien in einer eigens angelegten Algenfarm 16 verschiedene Seetangarten, z.B. auf ihr Wachstum in verschiedenen Wassertemperaturen.

Dies ist eine Szene aus dem Film „2040“.

Die hohen Temperaturen bereiten dem Seetang Schwierigkeiten. Daher wird kälteres Wasser aus tieferen Schichten nach oben gepumpt. Dicht unter der Oberfläche wird auf beweglichen Plattformen Seetang angebaut. Je länger der Seetang wird, desto tiefer wird die Plattform nach unten gezogen, so dass die oberen Enden immer knapp unter der Oberfläche sind. Eine der Arten wächst einen halben Meter am Tag und wird etwa 50 Meter lang. Sie ist damit die am schnellsten wachsende Pflanze der Welt. Entsprechend groß ist die Menge an CO2, die durch Photosynthese gebunden wird. Tausende Tonnen CO2 pro km2 pro Jahr können auf diese Weise der Atmosphäre entzogen und in Biomasse umgesetzt werden.
(Der entsprechende Ausschnitt aus dem Film kann übrigens hier angeschaut werden.)

Aber können solche Projekte tatsächlich helfen die Klimakrise zu entschärfen?

Auch in Norddeutschland gibt es 14 Erzeuger, die Algen für die unterschiedlichsten Zwecke anbauen. Sie stellen damit Europas größte Algenproduktion. So werden zu Beispiel Mikroalgen für Nahrungsmittel hergestellt. Bekannt in der Nahrungsmittelindustrie sind unter anderem Spirulina und Chlorella, die reich an pflanzlichem Eiweiß, essentiellen Aminosäuren, Eisen und Vitaminen sind.
Aber auch Tierfutter, kosmetische Produkte oder natürlicher Farbstoff können aus Algen hergestellt werden.

Die hierbei gebundenen Mengen an CO2 sind natürlich vergleichsweise gering und in der Klimabilanz zu vernachlässigen. Außerdem: werden Algen zu Futter oder kurzlebigen Produkten verarbeitet, ist das CO2 sofort wieder im Biokreislauf.

Das ist auch das Problem an dem Beispiel aus Tasmanien: Es ist toll, dass tausende Tonnen CO2 der Atmosphäre entzogen werden. Aber je nachdem was dann mit den Algen passiert, kann diese Menge an CO2 auch schnell wieder freigesetzt werden. Auch gilt es, die Relation im Auge zu behalten: Im Jahr 2012 wurden 9,7 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, bzw. 35,6 Gt CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger und durch die Zementherstellung freigesetzt. (1 Gt = 1.000.000.000 t)

Um der Erderwärmung entgegenzuwirken müssen weitaus größere Mengen CO2 gebunden und vor allem dauerhaft (!) der Atmosphäre entzogen werden.

Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn aus Algen Baustoffe hergestellt werden, die den Kohlestoff auf viele Jahre binden.

An der TU München wurde im vergangenen Jahr genau so ein Verfahren entwickelt. Auch der aktuelle Weltklimabericht (IPCC Special Report on Global Warming of 1.5 °C) weist auf verschiedene Technologien hin, mit denen Kohlenstoff der Atmosphäre entzogen und dauerhaft abgeschieden werden kann. Er stuft sie als global relevant ein, wenn es um die Netto-Kohlenstoffsenke geht.

Der Prozess sieht – vereinfacht gesagt – so aus: Im ersten Schritt wandeln die Algen das CO2 aus der Atmosphäre (oder direkt aus Kraftwerken oder Abgasen) in Algenöl um. Im zweiten Schritt werden dann aus dem Algenöl Carbonfasern hergestellt.

Nun gibt es weitere mögliche Schritte:

  • Die Carbonfasern können mit Kunststoffen zu Verbundmaterialien zusammengeführt und so leichte und strapazierfähige Werkstoffe hergestellt werden. Diese sind geeignet für alle Standardprozesse im Flugzeug- und Automobilbau. Am Ende ihres Lebenszyklus könnten diese Carbonfasern in leere Kohleflöze eingelagert werden.
  • Auch in der Bauindustrie lassen sich diese Carbonfasern nutzen: Durch ihre hohe Stabilität kann mit Carbonfasern verstärkter Granit als Träger eingesetzt werden. So kann Baustahl ersetzt und Zement gespart werden. Dies ist wichtig, da gerade bei der Produktion von Zement viel CO2 emittiert wird. Die CO2-Bilanz der Bauindustrie würde sich durch den konsequenten Einsatz der Fasern deutlich verbessern.

In beiden Anwendungsfällen wird der Atmosphäre der Kohlenstoff auf lange Sicht entzogen.

All diese positiven Aspekte dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Einsparen von Treibhausgasen und der Umstieg auf Erneuerbare Energien die oberste Priorität haben müssen. Zumal sich die meisten dieser Technologien noch in der Entwicklung befinden und  aktuell noch nicht im großen Maßstab zur Verfügung stehen.
Trotzdem benötigen wir dringend auch solche Technologien, die uns helfen, CO2 wieder zu binden und die CO2-Bilanzen kritischer Lebensbereiche zu verbessern: Hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft der Zukunft.

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Paula