Solidarische Landwirtschaft – Solidarische Gesellschaft

Solidarische Landwirtschaft – Solidarische Gesellschaft

Leicht haben es die kleinen Betriebe unserer regionalen Landwirtschaft in den letzten Jahren nicht gehabt: Hitzesommer und Extremwetterlagen, die umstrittene Verteilung von  EU-Fördermitteln (80% der Gelder fließen an nur 20% der landwirtschaftlichen Betriebe), sowie die Konkurrenz durch importierte Billig-Lebensmittel. Nun kämpfen die Bäuerinnen und Bauern wie viele andere Branchen mit den Folgen des Corona-Virus. Durch das Ausbleiben zahlreicher Saisonarbeiter fehlt die notwendige Unterstützung bei der Ernte, eigene Erkrankungen auf dem Hof können existenzbedrohend sein.

Es ist ein wichtiger Zeitpunkt, sich hier als Gesellschaft wachsam und solidarisch zu zeigen. Denn es geht ja nicht nur um die finanzielle Unterstützung und den Erhalt einzelner Betriebe: Es geht um die regionale Versorgung mit Lebensmitteln. So haben die klimaaktiven jungen Menschen von Fridays for Future Braunschweig bereits wie viele andere Menschen auch Hilfe bei der Ernte angeboten.

Aber nicht nur junge Menschen sind in dieser Situation gefordert. Für uns alle ergibt sich in dieser Extrem-Situation eine gute Gelegenheit, die regionale Landwirtschaft in den Blick zu nehmen.

Wie geht es den landwirtschaftlichen Betrieben rund um Braunschweig? Ich habe mal auf dem Wochenmarkt herumgehört. Die meisten Marktverkäufer*innen klangen zufrieden. Der Druck durch mögliche Erkrankungen und durch den Ausfall der polnischen und rumänischen Saisonarbeiter sei gerade in Bezug auf die anstehende Spargel-Ernte fraglos da, aber zugleich hörte ich eine deutliche Anerkennung gegenüber der Braunschweiger Stadtverwaltung, die in diesen schwierigen Zeiten das Marktwesen zumindest für Nahrungsmittel aufrecht erhält.

„Die Menschen sind dankbar, dass wir sie weiterhin zuverlässig mit Lebensmitteln versorgen. Das ist spürbar, und das tut uns gut!“, erzählt eine der Marktfrauen.

Das Marktleben unter freiem Himmel scheint für alle Anwesenden eine wohltuende Abwechslung zu sein. Wenn auch mit einem disziplinierten Abstand voneinander werden Witze und Neuigkeiten ausgetauscht. Die alte Dame aus dem Mietshaus, die sich schon gar nicht mehr in den Supermarkt traut, wird am Fleischerei-Stand mit Namen begrüßt. Ein bisschen soziales Leben in isolierten Zeiten.

„Heute brauche ich etwas mehr als sonst“, erzählt die Käuferin stolz. Sie will für die Enkelkinder Gulasch kochen.

Ach, bekommt sie also lieben Besuch?

Nein, das geht natürlich nicht. Die Schwiegertochter holt den Suppentopf ab und abends wird telefoniert. Die Not macht erfinderisch.

Aber zurück zur regionalen Landwirtschaft. Einer der Marktverkäufer bietet frisches Gemüse an, das in erster Linie aus kleinen Familienbetrieben rund um Braunschweig stammt. „Wenn dort jemand erkrankt, schließt der ganze Hof. Das ist eine Katastrophe. Aber zurzeit können wir alle mit dem Umsatz sehr zufrieden sein. Ist ja klar, die Leute haben Zeit, sie kochen selber, anstatt essen zugehen und gönnen sich gerne frisches Gemüse.“

Ja, da kommt man auf den Geschmack. Und wer sich erst einmal an knackiges frisches Gemüse gewöhnt hat, für den sind weitgereiste wässrige Tomaten und in Plastik geschweißte Gummigurken keine echte Alternative mehr. Da spart man vielleicht doch lieber an einer anderen Ecke.
Also meine Empfehlung: Nutzt die Braunschweiger Märkte – nicht nur in Krisenzeiten! Am besten mit eigenen Einkaufsbeuteln und mit Blick auf die Produkte, die aus ökologischer Landwirtschaft stammen. So können wir die regionalen Betriebe unterstützen, die Klimaschutz und Landwirtschaft bereits miteinander verknüpfen. Die Termine und Orte für die Wochenmärkte sind auf der Braunschweig-Seite veröffentlicht unter: http://www.braunschweig.de/leben/einkaufen_maerkte/wochenmaerkte/index.php.

Wer nicht selber auf den Markt gehen will, für den gibt es die Lieferdienste von ökologischen Betrieben, frische Gemüsekisten, die direkt an die Haustür gebracht werden. Allerdings ist auch hier zurzeit ein corona-bedingter Boom zu verzeichnen. Man kann sich derzeitig allenfalls auf die Warteliste setzen lassen.

In jedem Fall ist es förderlich für beide Seiten, Produzent*innen wie auch Konsument*innen, wenn Stadt und Land wieder enger zusammenrücken und voneinander profitieren. Als Konsument*innen sind wir die Absatzmärkte für die umliegenden Höfe und sorgen durch ein zuverlässiges Kaufverhalten für Planungssicherheit, und dadurch unterstützen wir die Betriebe, die uns dann durch so manche Krise „füttern“ können.

Eine noch engere Bindung zwischen Erzeugung und Verbrauch bietet die „Solidarische Landwirtschaft“. In immer mehr Regionen wandeln sich Höfe in Solidargemeinschaften unterschiedlicher Ausprägung.

Bei Solidarischer Landwirtschaft (SoLaWi) werden die Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf, der von den Verbraucher*innen mit organisiert und finanziert wird.

Dabei gibt es teilweise Möglichkeiten zur Mitarbeit in Hofläden oder bei der Ernte, gemeinsame Veranstaltungen, Versammlungen und Gremien. Vorteile für die Höfe sind dabei eine gesicherte Abnahme der Produkte und ein finanziell gemeinsam getragenes Risiko.

Auf jeden Fall stärken solche Gemeinschaften den Zusammenhalt zwischen den erzeugenden und den konsumierenden Menschen. Die Wertschätzung für die landwirtschaftlichen Produkte wächst, wie auch das Bewusstsein für die Wichtigkeit der regionalen Versorgung. In der Umgebung von Braunschweig gibt es bereits zwei „SoLaWis“, nämlich in Dahlum und Kneitlingen. Mitglieder werden noch gesucht!

Krisenzeiten können uns die Augen öffnen: Für das, was wirklich wichtig ist, dafür, wie abhängig wir voneinander sind, dafür, wie wir gemeinsam Herausforderungen meistern können. Neben vielen anderen Berufsgruppen, deren Bedeutung uns gerade durch diese Krisenzeit endlich deutlich wird, ist die regionale Versorgung mit Lebensmitteln ohne Zweifel überaus „systemrelevant“.

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Frieda