Was brauchen wir, um glücklich zu sein?

Was brauchen wir, um glücklich zu sein?

Im Juni 2012 erklärten die Vereinten Nationen den 20. März zum Internationalen Tag des Glücks. Wohlbefinden ist eine Sehnsucht in uns allen, also ist dieser Tag eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was uns glücklich macht und wo wir unser Glück finden können.

In diesem Jahr fällt dieser Tag in eine weltweite Ausnahmesituation. Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag, unser gesellschaftliches Leben und unsere Normalität auf den Kopf gestellt. Wir müssen – ob wir wollen oder nicht – runterfahren. Was gerade noch wichtig und zwingend notwendig erschien, verliert plötzlich seinen Stellenwert, wird abgesagt, außer Kraft gesetzt. Alles muss plötzlich anders funktionieren. Das ist beängstigend, bedrohlich und birgt ganz unterschiedliche Gefahren. Zugleich liegt darin die Chance, mal über „Selbstverständlichkeiten“ nachzudenken. Muss unser hektisches Leben, Arbeiten, Wirtschaften wirklich so sein, wie es üblicherweise ist? Macht unser „Wohlstand“ uns wirklich glücklich?

Natürlich brauchen wir eigentlich keine Wissenschaft, um zu erkennen, was uns glücklich macht. Wir alle wissen, wann sich die Schmetterlinge im Bauch einstellen, wann sich eine tiefe Freude in uns ausbreitet, wann wir uns gelöst, frei und eins mit der Welt fühlen.
Trotzdem sind die Erkenntnisse der Glücks-Wissenschaft spannend. Sie bestätigen vieles, was wir eigentlich längst wissen: z. B. dass Geld nicht glücklich macht. Untersuchungen ergeben, dass – wenn die materiellen Grundbedürfnisse befriedigt sind (!) – ein Zuwachs an materiellen Gütern oder Reichtümern das persönliche Glücksempfinden nicht mehr besonders steigern kann.

Dafür sind andere Aspekte viel nachhaltiger für unser Glücksempfinden: die Verbundenheit mit anderen Menschen, die Bereitschaft, Probleme und Krisen als Herausforderungen zu begreifen, die Fähigkeit, dankbar zu sein, die Gewissheit, frei und selbstbestimmt handeln zu können, und ein grundsätzliches Vertrauen in das soziale Miteinander.
Zudem haben wir ganz persönliche Glücksquellen. Für die einen ist es der Spaziergang am Meer, für andere der Anblick der eigenen Kinder, der Sieg der Fußballmannschaft oder der nach langen Mühen erreichte Berggipfel.

Eine wichtige Quelle des Glücks ist nach heutiger Erkenntnis der Glücks-Wissenschaft der „Flow“, der Zustand, in dem wir eins werden mit dem, was wir tun. Was immer wir mit Leidenschaft und Überzeugung aus uns selbst heraus leisten, erzeugt ein tiefes, nachhaltiges Glückgefühl. In dem Moment, in dem wir in ein für uns sinnhaftes Tun eintauchen, verlieren wir jedes Gefühl für Zeit und Raum. Das kann alles sein: Die Renovierung der Wohnung, ein Gedicht zu schreiben, eine Mathe-Aufgabe zu lösen, ein Kind zu trösten, Blumen zu pflanzen, Projekte zu planen… Wenn wir zurücktreten und das Erarbeitete betrachten, halten wir unwillkürlich inne und genießen, fühlen wir uns erfüllt und stolz.
Wer von uns bringt dieses Gefühl von seiner Erwerbstätigkeit mit? Kommen die meisten nicht ausgelaugt nach Hause und zählen – ganz gleich wie, wo oder für wieviel Geld sie tätig sind – die Jahre bis zur Rente? Ist es das, was wir „Wohlstand“ nennen?

Auch Wissenschaftler, die sich mit dem Thema „Glück“ beschäftigen, landen unwillkürlich bei einer gesellschaftskritischen Sichtweise.
So sagt der britische Verhaltensforscher Paul Dolan: „Wir haben eine falsche Vorstellung vom Glück. Deswegen rackern sich die Menschen für den perfekten Job ab, sind ständig online und wollen immer mehr erleben. Den eigentlichen Moment können sie dann aber kaum genießen.“
Noch deutlicher formuliert es der Evolutionspsychologe David Buss: „Wenn Wohlbefinden davon abhängig ist, tiefe intime Bindungen zu haben und ein wertgeschätztes Mitglied einer Gruppe zu sein, dann sind die Bedingungen des modernen Lebens geradezu prädestiniert dafür, menschliches Glück zu verhindern.“

Die vielen „Burn-Outs“ in der modernen Arbeitswelt und der Zuwachs an psychischen Belastungen, der gerade bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten ist, scheinen den Kritikern Recht zu geben.

Mich persönlich hat die Ausbreitung des Corona-Virus dazu gezwungen, mich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, Abstand zu halten, Pläne zu verschieben. Mein eng getakteter Alltag ist plötzlich ausgebremst. Ganz ehrlich: trotz aller Sorgen tut diese Ruhe unglaublich gut. Zugleich bringt sie mich zum Grübeln: Vielleicht war es am Ende ja doch nicht das Wichtigste auf der Welt, alles zu schaffen, allen gerecht zu werden, alles mitzunehmen und alles hinzukriegen?

Diese Krise macht mir deutlich, was wir im Ernstfall wirklich brauchen:

  • Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist überlebenswichtig.
  • Regionale Produktionen und Handelswege, die uns mit den wichtigsten Gütern versorgen, machen uns unabhängig.
  • Zwischenmenschliche Solidarität und nachbarschaftliche Hilfe können lebensrettend sein.
  • Ein gemeinschaftliches Verantwortungsgefühl für diejenigen, die durch solche Krisen in Not geraten, verhindert ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft.

Betrachten wir die derzeitige Krise als Herausforderung und Chance! Stellen wir Gewohnheiten in Frage, hinterfragen wir „Wichtigkeiten“ und gönnen uns eine neue „Normalität“. Vielleicht brauchen wir ja gar nicht so viel, wie wir dachten, um glücklich zu sein.

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Frieda