Kipppunkte im Klimasystem

Kipppunkte im Klimasystem

Am 16. April wird Ellen Gerdes um 19 Uhr einen Vortrag zum Thema „Kippunkte im Klimasystem – Wir sind an einem kritischen Punkt!“ im Nachhaltigkeitszentrum (NHZ) Braunschweig halten.

Seit der Klimawandel ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist, wird auch immer wieder über Kipppunkte im Klimasystem gesprochen. Es ist erst einmal eine erschreckende Vorstellung, dass Entwicklungen sich verselbständigen können und dann unumkehrbar werden.

Eine sachliche und fundierte Auseinandersetzung mit dieser Problematik ist deshalb umso wichtiger. Hierzu laden Parents for Future Braunschweig in der kommenden Woche ins Nachhaltigkeitszentrum ein und haben in Dipl. Ing Ellen Gerdes eine versierte Referentin gewonnen.

Frau Gerdes wird den wissenschaftlich belegten Zustand des globalen Klimasystems erläutern. Dabei geht es um die Zusammenhänge von Klimasystem und Kipppunkten und um eine aktuelle Risikobewertung.

In ihren Vortrag fließen die Ergebnisse der aktuellen Forschung aus dem „Global Tipping Points Report“ (Kipppunkte-Bericht) und auch neue Erkenntnisse zu der besonders für Europa bedeutsamen Atlantischen Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) ein.

Ziel der Veranstaltung ist es, Zusammenhänge im Klimasystem zu vermitteln und in einen Dialog zu treten, wie den aktuellen Gefahren begegnet werden kann. Daher gibt es im Anschluss an den Vortrag die Gelegenheit zum Austausch, natürlich auch für Nachfragen. Gemeinsam wird überlegt, wie wir mit den Erkenntnissen umgehen können und welche Handlungsmöglichkeiten sich anbieten.

Die Referentin Ellen Gerdes arbeitet als selbstständige Beraterin seit über 30 Jahren in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit u.a. in Pakistan, Jemen, Sudan und Ghana und berät Projekte in den Themenbereichen Wasserwirtschaft und Anpassung an den Klimawandel. Sie ist Zeugin der bereits gravierenden Folgen der klimatischen Veränderungen im globalen Süden. Diese Erfahrung setzte den Impuls, sich ehrenamtlich bei der internationalen Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion (XR) zu engagieren und auf die Folgen der Erderhitzung und das aktuelle Massenaussterben der Arten aufmerksam zu machen. Ellen Gerdes organisiert Demonstrationen, Konferenzen und Vorträge im Bereich Klima- und Artenschutz.

„Kippunkte im Klimasystem – Wir sind an einem kritischen Punkt!“
Vortrag und Dialog am 16.April 2025 um 19:00 Uhr im Nachhaltigkeitszentrum (NHZ) Braunschweig, Bohlweg 55

Nachtrag: Bericht zu der Veranstaltung

Klimakrise? War da was? Jüngst schätze selbst der Bundesnachrichtendienst die Erderhitzung als eines der größten Sicherheitsrisiken global und auch für Deutschland ein und sagt, dass die Klimaveränderung schon jetzt Katalysator für Migration, Terrorismus und territoriale Konflikte sei. Der Weltklimarat und der aktuelle Kipppunktbericht unterstreichen noch deutlicher, dass wir uns schon jetzt in einer akuten Zivilisations-bedrohenden Situation befinden und dass nur sofortige und entschlossene Maßnahmen einen Klimakollaps aufhalten könnten. Doch das Thema scheint aus der öffentlichen Debatte und Aufmerksamkeit völlig verschwunden. Spricht man jedoch mit Menschen, dann zeigt sich sehr wohl die große Besorgnis über den Zustand des Planeten. Und ja, das Bewusstsein für die Herausforderungen der Erderhitzung und das auch dadurch befeuerte massenhafte Aussterben unserer Arten (jeden Tag verlieren wir global 150 Arten; über 50.000 Arten jährlich!)  ist in den letzten Jahren gestiegen. Das Wissen um das Risiko von Kipp-Punkten ist jedoch gering.

Das möchten die Parents for Future Braunschweig ändern und haben zu einem Vortrag über die Zusammenhänge im Klimasystem und den aktuellen Stand der Wissenschaft eingeladen. 20 Menschen sind der Einladung in das Nachhaltigkeitszentrum gefolgt. In ihrem laienverständlichen Vortrag stellte die Diplom-Ingenieurin und Klimaaktivistin Ellen Gerdes aus Rössing anschaulich die globalen Klimaverhältnisse und deren Veränderung dar. Sie bezieht sich dabei auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse des PIK (Potsdam Institut für Klimafolgenforschung) und auf Sachstandsberichte des IPCC (Weltklimarat). Die Wissenschaft belegt unzweifelhaft, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Seit der Industrialisierung steigen die CO2-Werte in einem Maß, dass sie unser Klima und Wetter gravierend und nachhaltig verändern. Die aktuellen Nachrichten zu Bränden in Kalifornien, zu Überschwemmungen in Spanien, Dürren und Ernteausfällen in Afrika, zu Monsterwirbelstürmen sind besorgniserregend. Doch noch besorgniserregender ist das von sogenannten Kipppunkten ausgehende Risiko. Ellen Gerdes erklärt verständlich die physikalischen Hintergründe und welche Kippelemente im globalen Klimasystem bereits bekannt sind. Per wissenschaftlicher Definition sind dies Systeme, deren Kippen weitreichende Folgen hätte, so dass die menschliche Zivilisation in ihrer jetzigen Form bedroht wäre. Einen besonderen Blick wirft Gerdes auf einen Kipppunkt, der für Europa, aber auch den gesamten Planeten von herausragender Bedeutung ist: Die AMOC, zu der auch der Golfstrom gehört. Diese atlantische Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation) ist eine globale Umwälzpumpe, die sich durch den gesamten Atlantik und Indischen Ozean bis in den Pazifik zieht. Sie gestaltet das Klima auf der ganzen Welt, doch ist sie derzeit so schwach wie nie in den vergangenen 10.000 Jahren und droht zu kollabieren. In der Erdgeschichte ist die AMOC schon früher und auch ganz abrupt, d. h. innerhalb weniger Jahrzehnte abgerissen. Ein Zusammenbruch würde zu unumkehrbaren weltweiten Klimaveränderungen führen, mit arktischen Temperaturen im Winter von Berlin bis Norwegen von -35° C und extrem heißen Sommern von weit über 40° C, auch in Deutschland. Gerdes appelliert, dass dieses Risiko – das immerhin im 2-stelligen Prozentbereich liegt – nicht mehr ausgeblendet werden darf.

Was jedoch nun tun, fragten sich die Teilnehmenden. Klima- bzw. Lebensgrundlagenschutz ist ein riesiges Puzzle von unzähligen kleinen und großen Maßnahmen. Doch wie kann die Bereitschaft in der Gesellschaft befördert werden, eine solche Transformation nun auch wirklich anzugehen? Wie kann ein gesellschaftlicher Kipppunkt hin zu der Erkenntnis erreicht werden, dass wir dringend unsere Lebensgrundlage sichern sollten? Der Dialog im Anschluss an den Vortrag fokussierte sich auf Handlungsmöglichkeiten und auf Chancen. So wurde deutlich, dass die deutsche Wirtschaft aus ihrer tiefen Strukturkrise nur herauskommt, wenn sie sich um die Märkte der Zukunft kümmert. Das globale exponentielle Wachstum im Bereich der Erneuerbaren ist unleugbar und sehr ermutigend. Dass eine sozialökologische Transformation gelingen kann, geht jedoch nicht ohne die Gesellschaft. Und hier wollen die Teilnehmenden ansetzten: Sie wollen über die Fakten und das jetzt Notwendende aufklären und auch darüber, dass jeder Mensch dafür eine Mitverantwortung trägt. Auf die Frage, ob es nicht schon zu spät sei und wir bereits in den Kontrollverlust geschliddert sind, antwortet die Referentin: „Es ist noch nicht zu spät. Es lohnt sich, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen, denn es geht immerhin um unsere und die Lebensgrundlagen aller zukünftiger Generationen…“. Ein Kommentar einer Teilnehmerin nach dem Vortrag: „Trotz der harten Fakten hast du uns Mut gemacht weiter für unseren Planet zu kämpfen! Danke!“

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Frieda