Im kommenden Jahr werden entscheidende Weichen gestellt, was die Strategien für eine klimaschonende Wärmeversorgung in Braunschweig betrifft. In unserem Beitrag „Treibhausgasneutrale Fernwärme in Sicht?“ beschäftigten wir uns mit den Hintergründen dazu.
Darin berichten wir auch, dass BS Energy plant, zumindest einen Teil des Erdgases, dass derzeit noch im Heizkraftwerk Mitte verbrannt wird, zukünftig durch Wasserstoff zu ersetzen. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn es sich dabei um klimafreundlichen „grünen“ Wasserstoff handelt, zu dessen Erzeugung ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wurde.
Wir fragen uns:
Wo kommt der Wasserstoff her?
Wird überhaupt genügend Wasserstoff zur Verfügung stehen?
Wie teuer wird die Fernwärme dann?
Zwar hat BS Energy beantragt, an das bundesweite Wasserstoffnetz angeschlossen zu werden, aber ob das geschehen wird ist derzeit völlig unklar. Dadurch stellt sich zusätzlich die Frage: Wenn das nicht passiert und damit kein oder viel zu wenig Wasserstoff zur Verfügung steht, verzögert sich dann der dringend benötigte Erdgasausstieg?
Leicht ist die Situation sicher nicht: Seit Jahrzehnten besteht die Strategie zur Wärmeversorgung in der Verbrennung von meist fossilen Brennstoffen wie Öl, Gas und Kohle. Jetzt plötzlich komplett umzudenken und vor allem große Investitionen in andere Technologien zu stecken, ist mit Risiken behaftet.
Aber: Es hilft ja alles nichts. Ein langsames Umrüsten wäre vor 30 Jahren noch möglich gewesen, jetzt drängt die Zeit. Da hilft es auch nicht, in aller Eile auf eine Variante zu setzen, deren Umsetzung noch völlig ungewiss ist.
Wie kann es sein, dass über so eine unabsehbare Option überhaupt nachgedacht wird? In Braunschweig wurde beschlossen, bis möglichst zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Da ist es doch im Jahr 2023 keine Option mehr, über Dinge zu spekulieren, die sich eventuell irgendwann in der Zukunft ergeben. Es sei denn, es besteht gar nicht die Absicht, das bisherige Modell ernsthaft zu verändern.
Aber zurück zu den oben genannten Fragen:
Für‘s Heizen wird es in absehbarer Zeit vermutlich nicht genügend Wasserstoff geben.
Das Umweltinstitut München nennt dazu vor allem zwei Gründe1:
- „Klimafreundlicher Wasserstoff wird mithilfe von erneuerbarem Strom aus Wasser erzeugt, dabei gehen etwa 30 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Der Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung kommt aber nicht schnell genug voran, um diesen Mehrbedarf decken zu können. Wasserstoff wird darum noch lange knapp bleiben.
- Wasserstoff ist sehr vielseitig und kann sehr viele Anwendungen fossiler Rohstoffe ersetzen. Dabei gibt es insbesondere in der Industrie und dem Transportwesen einige Aufgaben, für deren Dekarbonisierung fast nur Wasserstoff in Frage kommt. Dies betrifft zum Beispiel die Stahlerzeugung oder die chemische Industrie. Diese Bereiche dürften bei der Versorgung bevorzugt werden, sodass private Haushalte leer ausgehen.“
Wirklich klimafreundliche Alternativen wären zum Beispiel: Geothermie (Wärme aus dem Boden), Solarthermie (nutzt die Wärme der Sonne) oder Wärmepumpen. Wärmepumpen werden mit Strom betrieben und entziehen der Umgebungsluft oder tiefen Erdschichten Wärme, die dann zum Heizen im Haus zur Verfügung steht. Das Besondere an der Technik: Am Ende steht mehr Energie in Form von Wärme zur Verfügung, als Strom verbraucht wurde.
Und hier ist auch ganz deutlich der Vorteil gegenüber Wasserstoff: Denn für die Erzeugung von Wasserstoff ist Energie in Form von Strom notwendig. Dieser Strom muss erstmal aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Und dann gehen bei der Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff etwa 30 Prozent der Energie verloren. Und das auch nur, wenn vorbehandeltes (Reinst)wasser genutzt wird. Bei Brauch-, Schmutz- oder Salzwasser wirds dann richtig teuer. Ganz abgesehen von den Verlusten bei Transport und Verbrennung. Zusätzliche Verluste kämen für Lagerung und spezielle Transportformen dazu (Druckerhöhung, Kühlung, Umwandlung in NH3, Methan(ol) oder Feststoffspeicher.
Dies alles sind Faktoren, die es äußerst fraglich erscheinen lassen, ob Wasserstoff tatsächlich als eine Option für die Wärmewende in Braunschweig in Frage kommt.
Welche das tatsächlich sein könnten, damit wird sich das Steinbeis Innovationszentrum energieplus (SIZ) im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung auseinandersetzen.
Das Umweltinstitut München hat übrigens eine Mitmachaktion gestartet. Dabei könnt ihr Wirtschaftsminister Habeck dazu auffordern, die nationale Wasserstoffpolitik konsequent auf eine zu 100% erneuerbare und faire Zukunft auszurichten!
Beitragsbild: Umweltinstitut München e.V.