Meine kleine Wildnis

Meine kleine Wildnis

Für viele, die einen Garten haben, bedeutet gerade der Herbst eine arbeitsreiche Zeit mit Rückschnitt, Abräumen, Hecken bearbeiten, Pflanzen einlagern, Laubharken und vielem mehr. Für alle, die Lust haben, weniger Stress und dafür mehr Spaß am Garten zu haben und die zugleich etwas für Artenschutz und Klima tun wollen, veröffentlichen wir heute einen Gastartikel von Doro, die in Braunschweig in verschiedenen Gruppen als Klimaaktivistin engagiert ist – und auch in ihrem eigenen Garten:

Kennen Sie die „Gärten des Grauens“? In meinem Dorf gibt es einige von dieser Sorte, ganz schlimme (Schotter und in der Mitte ein künstlicher Buchsbaum) – und etwas weniger schlimme. Auf jeden Fall sind es immer versiegelte Flächen, die man leicht sauber halten kann, denn die Natur macht ja so viel „Dreck“. Und „Dreck“ duldet man auf keinen Fall in seinem Garten, der hier eigentlich nur ein nach außen verlagertes zweites Wohnzimmer ist.
Wer hin und wieder im Vorabendprogramm herumzappt, kann dabei auf eine ZDF-Sendung mit dem Titel „Duell der Gartenprofis“ stoßen. Dort werden Gärten von sogenannten Profis umgestaltet – mit viel Beton, Rasenflächen (die natürlich von einem Mäh-Roboter ordentlich kurz gehalten werden müssen!), mit Deko-Gegenständen und Pflanzen, von denen Insekten gar nichts haben (Kirschlorbeer, Bambus, Rhododendren und Co.). Also – solche Pflanzen gehören eigentlich auch in die Rubrik „Dekoration“. Sehr wichtig auf der Terrasse sind natürlich der Elektrogrill und die pflegeleichte Kunststoff-Wohnlandschaft.
Ich nenne sie: tote Gärten. Schade drum! So viele Flächen, auf denen man gefährdeten Arten einen Lebensraum bieten könnte.
Aber ist es wirklich so, dass Menschen solche Gärten haben wollen? Oder haben diese Einheitsgärten vielleicht ganz andere Hintergründe? Die Gartenbesitzer leben in einer Gemeinschaft, einem Dorf, einer Siedlung – und man will vielleicht einfach nicht „aus der Reihe tanzen“. Der Mensch ist ein Nachahmer – und er hat das Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft zu .sein. Werden dann die vermeindlichen Ansichten der Nachbarschaft vielleicht sogar wichtiger als die eigenen Bedürfnisse? Gedanken wie: Was würde der Nachbar sagen, wenn man einen nicht so ordentlichen Garten hätte? Würde es nicht sogar Streit geben um Unkrautsamen, herabfallendes Laub, Hecken, die zum Nachbarn hinüberwachsen? Stünde man nicht dann „außerhalb“ der Gesellschaft, wenn man die „Normen“ missachtet?
Also ich bin fest davon überzeugt, dass es viel gesünder ist, seinen eigenen Kopf zu haben. Warum nicht einfach mal „Pionier“ sein und einen ganz anderen, einen naturnahen Garten haben?
Was macht einen naturnahen Garten aus? Kleine Rasenflächen oder gar keine; heimische Wildsträucher, die für die Tierwelt von Nutzen sind, z. B. Weißdorn, Eberesche (aus den Beeren der Eberesche lässt sich auch eine vorzügliche Marmelade herstellen), Schwarzer Holunder, Wildrosen, Pfaffenhütchen, Mehlbeere, Haselnuss, Heckenkirsche, Wildapfel, Berberitze, Faulbaum, Kornelkirsche (leckere Marmelade), Kreuzdorn, Schlehe, Schneeball, Traubenkirsche, Wildbirne – um nur einige zu nennen; Obstbäume, Beerensträucher, Salweide, Walnuss; vielleicht ein kleiner Teich mit Seerosen, Krebsscheren etc.; Wildstauden wie Malvenarten, Ziestarten, Nesseln, Gundermann, Campanula-Arten, Beinwell, Nachtviolen, Lungenkraut, Edeldisteln, Rainfarn, Schafgarbe, Wegwarte usw. usf. – und einen Totholz-Haufen für die Igel nicht vergessen.
Bloß nicht so ordentlich sein, eher nur vorsichtig eingreifen – und sonst der Natur ihren Lauf lassen! Pflanzen wissen selber ja am besten, wo sie sich wohlfühlen, wo sie wachsen und gedeihen können.

Und wie wird man belohnt für die „Faulheit“! Es dauert nicht lange und es stellen sich „Gäste“ im Garten ein – nicht nur Stare, Amseln, Sperlinge, sondern auch Buchfinken, Rotkehlchen, Buntspechte, Fasane. Am Teich kann man verschiedene Libellen beobachten (Heidelibellen, Plattbauchlibellen, die Großlibelle Anisoptera) Molche, Frösche, verschiedene Wasserschnecken – wenn man Glück hat, kommt sogar der Eisvogel zu Besuch. Wenn wir dann auch noch Pflanzen gestatten, unsere Häuser und Dächer zu bewachsen…mit wildem Wein, Efeu, Waldreben, Geißblatt, Clematis, Knöterich…
Unser naturnaher Garten bietet so viel mehr als ein „Wohnzimmer im Garten“. Nicht nur für Tiere, sondern auch für uns Menschen. Er schützt uns bei Hitze durch den Schatten der Bäume und Sträucher, er gibt uns saubere Luft zum Atmen, er hält nach einem ordentlichen Regenguß das Wasser im Boden, und er schenkt uns Freude beim Beobachten der Tier- und Pflanzenwelt im Verlauf der Jahreszeiten. Er ist niemals langweilig, weil es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.
Und vielleicht, wenn wir Glück haben, gibt es ja bald in der Nachbarschaft „Nachahmer“, dann können die Eichhörnchen von Garten zu Garten springen…

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Paula