Die Entscheidung ist getroffen: Gestern, am 28.9.2023 wurde im Ausschuss für Mobilität, Tiefbau und Auftragsvergabe darüber abgestimmt, wie es mit dem Bahnübergang Grünewaldstraße im Osten Braunschweigs weitergehen soll.
Zurzeit entstehen dort durch eine veraltete Signalanlage für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, oft lange Wartezeiten, was sich noch verstärken könnte, wenn der Bahnverkehr, wie geplant, ausgeweitet wird.
Um hier Abhilfe zu schaffen, standen nach vielfältigen Prüfungen zuletzt noch zwei Varianten zur Wahl: Die sogenannte Variante 0+ (optimierte Schrankenschließzeiten) und die sogenannte Variante 1 (Bau einer Unterführung).
In der grundsätzlichen Zielsetzung sind sich viele Menschen einig:
- Wir brauchen eine Verkehrswende, um die Klimaziele zu erreichen.
- Radfahren muss attraktiver werden.
- Fuß- und Radwege müssen sicher sein.
- Um mehr Menschen dazu zu bringen, das Auto stehen zu lassen, ist ein Netz an gut ausgebauten Radwegen sinnvoll.
- Der Ausbau des Schienenverkehrs ist zu begrüßen.
- Die Umverteilung des Verkehrsraums hat Vorrang gegenüber der Neuversiegelung.
Trotz dieser Einigkeit treffen im Fall Grünewaldstraße unterschiedliche Blickwinkel aufeinander. Grundsätzlich Fragestellungen stehen im Raum:
Ist die lange Bauzeit der Unterführung (ca. 10 Jahre) es wert, so lange auf den jetzt bestehenden Bahnübergang zu verzichten? Ist es gerechtfertigt, für den Ausbau eines Fahrradweges eine größere Anzahl von Bäumen zu fällen und in das Mikroklima und die dortige Artenvielfalt einzugreifen?
Ist es gerechtfertigt, heute Emissionen von Treibhausgasen (durch den Bau von Betonkonstruktionen) in Kauf zu nehmen, wenn dadurch in 10 Jahren eventuell Emissionen durch weniger Autoverkehr zu erwarten sind?
Weiterhin stellt sich ganz konkret die Frage: Was ist „schöner“: der bisherige Weg durch die vergleichsweise unberührte Natur? Oder eine Unterführung, mit der sich die Strecke ohne Wartezeiten, mit weniger Höhenunterschied und mit ebenerem Boden passieren lässt? Menschen, die pendeln oder mit schnellen Rädern unterwegs sind, bevorzugen vielleicht die Unterführung, Familien mit Kindern und ältere Menschen möglicherweise die bisherige Lösung. Zeitersparnis und Bequemlichkeit versus Aufenthaltsqualität und Grünflächenerhalt? Dass es hier ganz unterschiedliche Präferenzen gibt, ist völlig logisch und sicher auch keine Basis für sachliche Auseinandersetzungen.
In Bezug auf den Klimaschutz lassen sich die Differenzen vermutlich auf einen Punkt reduzieren: Wird der Ausbau des Radweges so viel Autoverkehr verhindern, dass diese Einsparung die Emissionen aus dem Verbau von Beton übersteigen wird?
Wie ist die Stimmungslage?
Durch den Bau würde an dieser Stelle etliche Jahre lang überhaupt keine Querungsmöglichkeit für den Rad- und Fußverkehr existieren; der Kindergarten, die IGS, der Tierarzt, das Naherholungsgebiet Nussberg / Prinzenpark, der beliebte Wochenmarkt wären von der Seite östlich der Bahnlinie viele Jahre nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar. Und umgekehrt gäbe es für viele Jahre keinen entsprechenden Übergang zu Kleingärten, Schwimmbad etc.
Dies waren vermutlich die Hauptgründe dafür, dass schon während der Bürgerbeteiligung im Mai dieses Jahres rund 90% der Beteiligten (hauptsächlich Anwohnende und diejenigen, die regelmäßig den Bahnübergang nutzen) für die Variante 0+ plädierten.
Welche Entscheidung wurde getroffen?
Bei der Sondersitzung zur künftigen Bahnquerung Grünewaldstraße am Dienstag haben sowohl der Bezirksrat 112 als auch der Bezirksrat 120 für die Planvariante 0+ (optimierte Schrankenlösung) gestimmt.
Nichtsdestotrotz wurde gestern in der Ausschusssitzung mit 7 Ja- und 3 Nein-Stimmen der Bau einer Unterführung beschlossen.
Für viele, die sich zuvor engagiert in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht haben, wird sich nun wohl die Frage stellen, mit welcher Zielsetzung Bürgerbeteiligungsprozesse in Braunschweig eigentlich durchgeführt werden.