Lützerath

Lützerath

„Ich glaube der Staat traumatisiert gerade reihenweise die junge Generation.“ Dies ist das Zitat einer Aktivistin aus Lützerath, aus der sehr sehenswerten Dokumentation „Klima, Krimi, Kohle“ von Hubertus Koch.

Der Konflikt zwischen Klimaschutz und Profitgier zeigt sich nicht nur in Lützerath, aber hier bricht er in beispielloser Weise aus. Und gerade, weil die verheerenden Folgen des politischen Nicht-Handelns an diesem Ort so klar erkennbar und benennbar sind, ist es wichtig, hier zu sein. Und friedlich da zu stehen und zu sagen: So geht es nicht. So kann und so darf es nicht weiter gehen.

Daher machte ich mich auf den Weg: Am 14. Januar zur Demo nach Lützerath.

Allein 4 Busse starten um 6 Uhr morgens ab Braunschweig, 7 Busse kommen aus Hannover.
Kurz vor dem Ziel sind die Straßen überfüllt. Überall Busse und private PKW. Wir gehen den Rest der Strecke also zu Fuß. Auch auf den Fuß- und Radwegen sind überall Menschen unterwegs. Mit Regencapes, Schildern und Regenschirmen.
Am Ortsausgang bietet eine Frau den Demonstranten an, ihre private Toilette zu benutzen. Diese pragmatische Solidaritätsbekundung rührt mich. Später verstehe ich, dass der Konflikt mit RWE in dieser Region eine traurige, lange Geschichte hat.

Als wir den Ort verlassen, strömen die Menschen in Scharen über die Felder. Einige wollen einen Blick in die Grube werfen, andere ziehen direkt in Richtung Kundgebung.
Sobald ich denke, ich hätte jetzt einen Überblick über die Umgebung, sehe ich aus anderen Richtungen noch mehr Menschen kommen. Es ist überwältigend!

Ein starker Wind weht, es regnet ununterbrochen, die Wege sind schlammig und doch ist die Stimmung ausgelassen. Die schiere Masse stimmt optimistisch. Es gibt also doch genug Menschen, die hinschauen, die sich engagieren. Laut Veranstalter sind es 35.000.

Am Abend, während der Tagesschau, holt mich die mediale Realität wieder ein: Da wird von Ausschreitungen gesprochen, von einer „zunächst friedlich“ verlaufenden Demo, von Angriffen auf die Polizeikette und von Feuerwerkskörpern. Ich frage mich: Warum liegt der Fokus nicht bei den 35.000 Menschen, die trotz der oben beschriebenen Perspektivlosigkeit friedlich bei Wind und Regen demonstrieren? Warum wird nicht über die Gründe, die globalen Risiken des Braunkohleabbaus gesprochen? Warum behauptet die Polizei, die Menschen davor schützen gewollt zu haben, zu nah an die Abbruchkante zu gehen, wenn über weite Strecken der Kante entlang keine Polizei zu sehen war, ganz zu schweigen von Schildern oder Absperrbändern? Und warum macht sich niemand die Mühe die Zahl der Demonstranten halbwegs verlässlich zu ermitteln? Es gab doch einen Hubschrauber, der die ganze Zeit über das Geschehen beobachtet hat.

Es ist mir fast schon egal. Ich habe gesehen wie viele Menschen sich an diesem Tag auf den Weg gemacht haben. Und es geht vielen so wie mir. Die Menschen, die vor Ort waren, konnten spüren, dass sie nicht alleine sind. Und es werden immer mehr.

Wir können nicht in die Zukunft blicken, wir können nur weiterhin jeden Tag das menschenmöglich tun.

Wie Greta Thunberg in ihrer Rede sagte: „Die Kohle ist immer noch im Boden, wir sind immer noch hier und Lützerath ist immer noch vorhanden.

Und: „We are not planning to give up!“.

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Paula