„Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit unserem Fuß fest auf dem Gaspedal“, mit diesen Worten eröffnete der UN-Generalsekretär Antonio Guterres die 27. Weltklimakonferenz (COP 27) in Ägypten. 14 Tage lang wurde in Sharm el-Sheik diskutiert und verhandelt, dann ging die Konferenz sogar in die Verlängerung, weil es noch keine Einigung für ein gemeinsames Abschlusspapier gab. Bei dieser Konferenz mit ihren 30.000 Teilnehmenden aus 190 Ländern durfte es nicht mehr nur um Absichtserklärungen und vage Ziele gehen. Gefordert waren aufgrund der fortschreitenden Erderwärmung vielmehr radikale Kehrtwenden, mutige Entscheidungen und konkretes Handeln als zwingende Voraussetzung für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze.
Zu welchem Ergebnis kamen die Entsendeten nach dem tagelangen Ringen?
Beginnen wir mit einem positiven Aspekt: Es wird einen Ausgleichsfonds geben für die Länder, die durch die Klimaveränderungen bereits jetzt in Notlagen geraten. Wer wann wieviel in den Ausgleichfonds einzahlt, wer wann wieviel ausgezahlt bekommt – das steht allerdings noch in den Sternen. Dieser kleine Schritt hin in Richtung Klimagerechtigkeit wird in vielen Kommentaren als „Durchbruch“ beschrieben und gelobt. Angesichts der zunehmenden Dürren, Hungersnöte und Extremwetterlagen erscheint dieser Fonds jedoch eher wie ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde, die sich ständig ausweitet. Zudem ist diese Maßnahme nur eine notwendige Reaktion auf die Folgen der Klimakrise, jedoch keine Maßnahmen gegen ihr Fortschreiten.
Welche Ergebnisse gab es in Bezug auf ambitionierten Klimaschutz und konsequente Emissionsreduktionen, welche konkreten Pläne wurden für den Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung entwickelt?
Keine.
Insofern war die teure Konferenz eine pure Verschwendung, die wir uns gar nicht leisten können. Sowohl die Klimabewegung als auch die Klimaforschenden zeigten sich enttäuscht und stellten den Sinn dieser Konferenzen in Frage.
„Wir sind immer noch auf dem falschen Weg. Anstatt die Emissionen zu senken, steigern wir sie sogar noch. Insofern muss man sich, glaube ich, andere Formate überlegen, so werden wir nicht vorankommen.“ (Dr. Mojib Latif, Meteorologe und Klimaforscher)
Zwar habe die Konferenz in „einer historischen Einigung anerkannt, dass die Hauptverursacher der Klimakrise – wie Deutschland – für Klimaschäden zahlen müssen“, so Luisa Neubauer von Fridays for Future. Zugleich sei jedoch entschieden worden, „endlos weiter Klimaschäden zu verursachen, statt das Ende von Kohle, Öl & Gas einzuleiten. Eine Farce“.
Doch während die Konferenzteilnehmenden in Sharm el-Sheik die Konferenz mit einem enttäuschenden Abschluss-Dokument beendeten, wird die Wut und die Ungeduld in den unterschiedlichsten Bevölkerungen weltweit immer größer, so auch der Ruf nach einer Kriminalisierung des Ökozids. (Ökozid bezeichnet die durch den Menschen ausgelöste Zerstörung der planetaren Lebensgrundlagen)
In seiner Erklärung für die COP27 hat das International Corporate Governance Network (ICGN), eine von Investoren geleitete Organisation mit einem verwalteten Vermögen von 70 Billionen Dollar, zum zweiten Mal in Folge die Regierungen aufgefordert, den Ökozid zu kriminalisieren.
Neben der Kriminalisierung von Ökozid fordert das ICGN die Regierungen auch auf, bestimmten Ökosystemen eine „Rechtspersönlichkeit“ zu verleihen, wie dies z.B. in Ecuador, Neuseeland und Bangladesch bereits geschehen ist.
Eine Gruppe der Eltern-Aktivistinnen von ParentsforfutureGlobal und Ourkidsclimate war von verschiedenen Kontinenten nach Sharm el-Sheik gereist, um gemeinsam von den Staats- und Regierungschefs zu verlangen, die Rechte und die Situation von Kindern in die Verhandlungen einzubeziehen. Schon im Vorfeld hatten die ParentsforFutureGlobals ein Video entwickelt, um die Generation zu Wort kommen zu lassen, deren Zukunft derzeitig der Profitgier, dem Lobbyismus und dem Machthunger geopfert wird – was sich leider auch im Rahmen der Klimakonferenz 2022 erneut zeigte. (https://youtu.be/nQ–kyMTyeA)
„Die Staats- und Regierungschefs müssen endlich handeln. Denn die Hoffnung unserer Kinder auf eine lebenswerte Zukunft sinkt. Eine Milliarde Kinder sind heute schon durch Klimakatastrophen direkt gefährdet – insbesondere die Kinder im globalen Süden, und dies obwohl diese Länder am wenigsten zur Ursache der Erderhitzung … beigetragen haben! Wenn jetzt nicht schnell weltweit politische Maßnahmen konkret beschlossen und initiiert werden, wird sich die Situation für unsere Kinder noch weiter verschlechtern.“ (ParentsforfutureGlobal und Ourkidsclimate)
Eine wachsende Solidarität zwischen den Zivilgesellschaften in Nord und Süd zeigte die COP27 am Rande und von den meisten Medien unbeachtet:
Hunderte Mitglieder der Zivilgesellschaften übernahmen an einem der Verhandlungstage den Plenarsaal der COP27. Das Treffen, das unter dem Namen “The People’s plenary” alljährlich während der COP stattfindet, wurde angeführt von indigenen und jungen Menschen, Frauen und Menschen aus der Arbeiterschaft. In unterschiedlichen Beiträgen berichteten die Rednerinnen und Redner von ihren Visionen und Erfahrungen rund um die Klimakrise und zeigten eindrücklich, was der offiziellen COP nicht gelungen war: Wie Solidarität zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden funktionieren könnte. Sie unterstrichen, wie die aktuelle Krise die Menschenrechte verletzt und gemeinsam forderten sie die politisch Verantwortlichen zu entschlossenem Handeln auf.
Auf das Treffen im Plenarsaal folgte ein Marsch über das Konferenzgelände, der mit einem Sitzstreik und der Verlesung der “COP27 People’s Declaration for Climate Justice” endete. Zentrale Forderungen in der gemeinsamen Deklaration sind:
- Ein Systemwandel für eine gerechte Transformation hin zu 100% volkseigener, dezentraler, erneuerbarer Energieversorgung.
- Das Rückzahlen der Klimaschuld durch ein Reduzieren der Emissionen auf real-null bis 2030 und eine Loss&Damage Finanzierung (Ausgleich von klimabedingten Verlusten und Schäden).
- Der Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung
- Sichere und befähigende Räume für die Zivilgesellschaft
(https://globalforestcoalition.org/cop27-peoples-declaration-for-climate-justice/)
Während also auf der großen politischen Bühne eine erschütternde Veränderungsresistenz vorherrscht, gibt es auf den „kleinen Bühnen der Weltgeschichte“ eine ungeheure und ermutigende Bewegung, eine erstarkende Solidarität, eine wachsende Bereitschaft zum Wandel und eine sich ausbreitende Erkenntnis, dass es heute um nichts Geringeres als um das gemeinsame Überleben auf unserem Planeten geht.