Altkleider

Altkleider

Altkleidersammlung appelliert an unser soziales und ökologisches Gewissen. Dinge an die „armen Menschen in Afrika“ zu spenden, klingt erstmal toll. Aber rechtfertigt es auch, alte Klamotten tonnenweise um die halbe Welt zu transportieren?

Neulich habe ich gelesen, dass ein großer Online-Händler die Möglichkeit bietet, gebrauchte Kleidung einzuschicken und den Erlös dafür an ein gemeinnütziges Projekt der eigenen Wahl zu spenden. „Prima!“, dachte ich. Ich fand das war eine gute Idee, endlich in der ganzen Familie Kleidung großzügig auszumisten. Platz schaffen, Ressourcen weiter verwerten und dann auch noch Geld spenden.

„Weißt Du denn nicht, dass unsere Kleiderspenden in Afrika die regionale Textilindustrie zerstören?“ fragte mein Vater. Er gab mir den Film „Die Kleider der toten Weißen[1]“.

Dieser Dokumentarfilm aus dem Jahr 1995 beschäftigt sich mit der Problematik, die die zahlreichen gutgemeinten Altkleiderspenden für die Menschen in einigen Ländern Afrikas bedeuten.

Ja, aber kann es denn wirklich so schlimm sein, aussortierte Kleidung an andere Menschen weiter zu geben?

Fakt ist: In Afrika wird die Kleidung nicht kostenlos abgegeben. Die Kosten für den Transport sind viel zu hoch. Sie landen dort auf Märkten. Für weniger Geld als regional gefertigte Kleidung.

Und was ist dann mit den Menschen in Afrika, die nicht einmal Geld für gebrauchte Kleidung haben?
Im Film kommt ein Mann genau zu dieser Frage zu Wort. Er beschreibt, dass in seiner Gemeinde die Kirche dafür sorgt, dass lokale Kleider gesammelt und an Bedürftige abgegeben werden. Dies sei durchaus ausreichend, um alle zu versorgen.

In Deutschland gibt es eine wahre Flut von Altkleidern. Grund ist zum großen Teil die sogenannte „Fast Fashion“. Immer mehr Kleidungsstücke werden immer billiger und immer seltener getragen. Das führt dazu, dass jeden Tag unendliche Mengen an Altkleidern in Container geworfen werden.

Kleidung aus dem Container ist nicht automatisch eine Spende oder wird für wohltätige Zwecke eingesetzt. Der Weg der gesammelten Altkleider ist sehr unterschiedlich. Das Wenigste davon wird über soziale Einrichtungen kostenlos an bedürftige Menschen abgegeben. Die Sortierbetriebe verkaufen die Kleidung zum Teil an Second Hand-Läden in Deutschland. Es gibt aber auch Betriebe, die ausschließlich ins Ausland, meist nach Osteuropa oder Afrika, verkaufen und das ist der weitaus größte Teil. Laut Fachverband Textilrecycling werden rund 21% zu Putzlappen zerschnitten. Ein kleiner Teil wird geschreddert und zu Malervlies verarbeitet. Nur wenn es nicht anders geht, wird die Kleidung verbrannt. Laut Verband sind das 2% der Containersammlung.

Inzwischen vermieten caritative Einrichtungen ihre Container häufig an kommerzielle Händler. Mit den Einnahmen finanzieren sie ihre caritative Arbeit. Im Film wird dies sehr drastisch so formuliert:

„Wer aber braucht dann die wohltätigen Kleiderspenden? Die Antwort muss lauten: Die caritativen Organisationen in den Industrienationen. Afrika leistet durch die Altkleiderkäufe soziale Entwicklungshilfe an den reichen Norden in Millionenhöhe. Denn je mehr staatliche Mittel für Soziales gestrichen werden, umso stärker suchen diese Organisationen nach anderen Geldquellen für ihre Arbeit.“

Ich merke, dass das Thema viel komplexer ist, als ich zunächst gedacht habe. Und ich merke, dass die Idee, Kleidung, die ich selber nicht mehr anziehen möchte, weil sie mir nicht mehr gut genug ist, vor allem für mich praktisch ist und mein Gewissen erleichtern soll.

Schlimmer noch:Ich finde den Gedanken beängstigend, dass ich ein Anrecht auf neue Kleidung habe, und andere sich mit abgelegten Klamotten begnügen sollen.

Ich habe schon in der Vergangenheit nicht besonders viel Geld für Kleidung ausgegeben. Shopping ist definitiv keine Leidenschaft von mir. Dennoch hat sich meine Sichtweise nochmal geändert. Aus meiner Sicht ist es wichtig, viel früher anzusetzen.

Für mich persönlich habe ich beschlossen:

  • Wenn ich etwas Neues brauche, schaue ich zuerst im Second-Hand-Laden.
  • Sollte ich dort nichts finden, kaufe ich Kleidung aus nachhaltiger Produktion und nur Kleidung von der ich erwarte, dass sie lange hält.
  • Kleidung, die nicht mehr passt, gebe ich an einen Second-Hand-Laden in der Stadt. Oder ich gehe auch mal auf Kleidertauschbörsen.
  • Ich trage meine Kleidung, bis sie kaputt geht.
  • Wenn möglich, repariere ich sie oder gestalte sie zu etwas Neuem um.

 

[1] „Oburoni Wawu“, die Kleider der toten Weißen – mit diesem Begriff wurden in Ghana die ersten Altkleider bezeichnet, die als Spenden aus Europa eintrafen. Unvorstellbar, dass Lebende so gute Kleider einfach wegwerfen könnten. Heute glaubt das allerdings in Ghana niemand mehr, geblieben aber ist der Name für die gebrauchten Kleider.

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Paula