Das Buchen-Urwald-Projekt

Das Buchen-Urwald-Projekt

Innerhalb meiner Großfamilie haben wir im letzten Jahr auf die sonst üblichen gegenseitigen Weihnachtsgeschenke verzichtet und stattdessen mit dem gesparten Geld gemeinsam 75 Quadratmeter Buchenurwald für 50 Jahre gepachtet. Ziel ist, den Wald durch solche Pachtungen nachhaltig vor kommerzieller Nutzung zu schützen. Möglich ist dies durch ein Projekt, das in der Waldakademie von Peter Wohlleben entwickelt wurde. Netterweise war der Natur- und Landschaftsökologe Patrick Esser, ein Mitarbeiter der Waldakademie, bereit, uns zu dem Buchen-Urwald-Projekt ein paar Fragen zu beantworten.

Herr Esser, können Sie vielleicht erst ein paar Worte zu sich selber sagen?

Ähnlich wie auch Peter Wohlleben bin ich bereits seit meiner frühesten Kindheit von den vielen Wundern der Natur begeistert. Ganz besonders haben es mir dabei seit jeher Bäume angetan und so habe ich auch mein erstes Schulpraktikum bei einem Förster verbracht. Inspiriert durch dieses Praktikum hat mich der Gedanke umgetrieben, wie man Nutzungsdruck von der Natur nehmen kann und wie unser Planet wieder lebendiger und wilder werden könnte. So habe ich mich für das Studium der Geographie in Bonn im Bachelor und im Master der Naturschutz- und Landschaftsökologie entschieden. Dem Wald bin ich dabei immer treu geblieben und habe z.B. meine beiden Abschlussarbeiten über alte Buchenwälder geschrieben. Dies war auch mein erster Kontakt zu Peter Wohlleben, der mich bei der Forschung unterstützt hat.

In der Waldakademie habe ich das große Glück, mein Hobby zum Beruf zu machen. So kann ich bei der Durchführung unserer Veranstaltungen viel Zeit in der großartigen Natur meiner Heimat, der Eifel, verbringen und hoffe, etwas von meiner Begeisterung für den Wald unseren Gästen zu vermitteln. Ansonsten beschäftigt mich vor allem unser Herzensprojekt, das Buchen-Urwald-Projekt. So begleite ich das wissenschaftliche Monitoring des Projektes, führe Gespräche mit potenziellen Unterstützern oder Waldeigentümern, die ihren Wald ebenfalls schützen möchten.

Was ist eigentlich unter einer Waldakademie zu verstehen?

Wir möchten mit unserer Waldakademie dem Wald eine Stimme geben, die nicht von der Holznutzung, sondern von der Begeisterung für Bäume als Lebewesen und dem Wald als faszinierende Lebensgemeinschaft getragen wird. Unsere Begeisterung, aber auch unser Wissen über den Wald geben wir in einer ganzen Vielzahl von verschiedenen Veranstaltungen weiter. So kann man sich z.B. von uns selber zu einem Waldführer ausbilden lassen oder einfach an einer Wanderung zu dem geheimen Leben der Bäume teilnehmen. Die meisten unserer Veranstaltungen werden von unserem Stammteam durchgeführt. Zusätzlich konnten wir verschiedene Experten für unsere Seminare gewinnen, wie z.B. Fr. Dr. Dorothee Killmann von der Universität Koblenz, die bei uns ein Seminar zu der faszinierenden Welt von Flechten und Moosen gestaltet. Die Waldakademie ist unabhängig von öffentlichen Geldern und finanziert sich ausschließlich aus den Einnahmen z.B. der Veranstaltungen.

Würden Sie uns das Buchen-Urwald-Projekt vorstellen?

Von Natur aus wäre Deutschland zu über 90 Prozent von Wald bedeckt, der größte Teil davon Buchen- oder Buche/Eichen-Mischwälder. Naturnahe Buchenwälder sind jedoch sehr selten geworden und werden in aller Regel intensiv wirtschaftlich genutzt. So haben Buchenwälder ab dem Alter 180 nur noch einen Anteil von 0,16 Prozent an der Landfläche Deutschlands. Leider stehen diese wertvollen Reste der einst ausgedehnten Urwälder bei uns nicht unter Schutz, sondern werden weiter abgeholzt. Dabei kommt Deutschland für den Schutz insbesondere der Buchenwälder eigentlich eine ganz zentrale Rolle zu. So fühlt sich die Rotbuche in unserem heimischen Klima am wohlsten, natürlicherweise würden etwa 26 % des gesamten Weltbestands der Rotbuche hier bei uns in Deutschland wachsen. Deswegen hat die UNESCO die alten Buchenwälder Deutschlands als UNESCO-Weltnaturerbe anerkannt.

Genau hier setzt unser Buchen-Urwald-Projekt an. Wir möchten nicht darauf warten, dass die Bundesregierung endlich ihrer Verantwortung nachkommt, sondern möchten so viel wie möglich der wenigen, noch intakten alten Buchenwälder vor einem Holzeinschlag schützen. Da viele Kommunen oder private Waldbesitzer auf die Waldeinnahmen durch den Holzverkauf angewiesen sind, pachten wir die Waldflächen von ihnen. Über eine rechtsverbindliche Grundbucheintragung sowie einen Pachtvertrag stellen wir dann sicher, dass mindestens für die nächsten 50 Jahre keinerlei Holznutzung mehr auf den Flächen stattfinden darf und der Wald einfach so wachsen kann, wie er will. Das Projekt finanziert sich auch hier ausschließlich über private Unterstützung oder Firmen, die sich für den Naturschutz engagieren möchten. Jede Person oder Gruppe, die das Projekt unterstützen will, wird durch eine einmalige Zahlung für die nächsten 50 Jahre tatsächlich zu einem Waldbesitzer, da die Pachtzahlung keine Spende ist, sondern eine tatsächliche Pacht.

Warum ist Urwald so wichtig für uns?

Wirklichen, vom Menschen unbeeinflussten Urwald gibt es in Deutschland aufgrund der dichten Besiedlung nicht mehr. Es gibt aber noch wenige Wälder mit altem Baumbestand, die einem Urwald wenigstens nahekommen. Diese könnten, wie bei unserem Projekt, wieder zum Urwald von morgen werden. Urwälder in unseren Breiten sind eigentlich durch langwährende Stabilität gekennzeichnet, Störungen in Form von Sturm oder Feuer sind ihnen fremd. Viele hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten haben sich auf solche dauerhaften Wälder eingestellt, so beherbergen Buchenwälder im Schnitt etwa 20 % der gesamten Tierarten Mitteleuropas. Dabei sind die meisten auf besonders alte Bäume angewiesen; so kann etwa der seltene Mittelspecht Buchenwälder erst ab einem Baumalter von 200 Jahren besiedeln. In Urwäldern ist zudem Totholz mit etwa 20.000 Kubikmetern Holz pro Quadratkilometer vorhanden und wichtiger Lebensraum für 3.000 Insekten- und Pilzarten. Die effektive Wasserspeicherung im Totholz und das dichte, geschlossene Kronendach ermöglichen es Buchen-Urwäldern, sich effektiv herunter zu kühlen. Vom Klimawandel sind intakte Naturwälder daher deutlich weniger betroffen, als die vom Menschen stark gestörten Wirtschaftswälder. Die meisten von uns dürften diesen wohltuenden Effekt naturnaher Wälder schon selber bei einem Waldspaziergang im Sommer erfahren haben. Wälder kühlen sich nicht nur selber, sondern auch ihre nähere Umgebung wie z.B. unsere überhitzten Innenstädte.

Neben diesem direkt kühlenden Effekt sind alte Wälder unsere wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. Urwälder, wie auch naturnahe alte Laubwälder speichern z.B. mindestens doppelt, teilweise dreimal so viel Kohlenstoff wie der durchschnittliche deutsche (Wirtschafts-)Wald. Je älter und naturnäher Wälder werden, umso effektiver und dauerhafter speichern sie dieses Treibhausgas.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Ökosystemdienstleistungen, die Urwälder besonders effizient für uns erbringen. Nicht zuletzt sind sie ein wunderbarer Erlebnis- sowie Erholungsraum für uns Menschen und ein Ort, von dem wir ganz viel lernen können. Welche Antworten findet z.B. die Natur auf den Klimawandel? Mit ihrer jahrmillionenalten Erfahrung ist sie uns Menschen deutlich voraus. Für mich persönlich gibt es tatsächlich nichts Schöneres, als einen alten Buchenwald durch den Wechsel der Jahreszeiten zu begleiten.

Was können wir darüber hinaus noch tun, um den Wald zu schützen?

Alle Wälder sind durch einen stetig wachsenden Ressourcenverbrauch bedroht. Jeder kann durch seine eigenen Konsumentscheidungen zum Waldschützer werden. So gibt es zahlreiche Beispiele wie wir behutsamer mit dem wertvollen Rohstoff Holz umgehen können, damit Wälder wieder ungestörter wachsen können. Mit dem Umstieg von einer Plastiktüte auf eine vermeintlich umweltfreundlichere Papiertüte z.B. schade ich der Umwelt mehr als ich ihr nütze. Eine langfristig genutzte Tragetasche aus Baumwolle hingegen hilft wirklich, Natur zu schützen und kann dabei sogar schick aussehen. Auch die Art und Weise wie ich mein Haus heize, kann massive Auswirkungen auf den Wald haben. Trotz seines umweltfreundlichen Images ist Holz z.B. der klimaschädlichste Energieträger. Jeder Baumstamm, der im heimischen Kamin oder in Kraftwerken verfeuert wird, ist erstmal für viele Jahrzehnte als CO2-Speicher und als Lebensraum verloren. Leider hat die Holzlobby hier einen starken politischen Einfluss, so dass viele umweltbewusste Hauseigentümer in den vergangenen Jahren falsch beraten wurden und werden.

Gibt es noch etwas, was Sie gerne loswerden wollen?

Das Thema Waldschutz zeigt für mich besonders beeindruckend, dass Klimaschutz zwar Verzicht bedeuten kann, aber viel häufiger ein Gewinn für uns sein wird. Ich würde mich in jedem Fall sehr freuen, wenn ich zukünftig wieder an viel mehr Orten an einem heißen Sommertag den kühlenden Schatten der im Wind sanft säuselnden Baumriesen genießen könnte und keine Motorsäge diesen Frieden stört.

Weitere Infos unter: https://www.wohllebens-waldakademie.de/urwaldprojekt

Foto mit freundlicher Genehmigung der Waldakademie Peter Wohlleben

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Frieda