Traivelling

Traivelling

Wenn man mit Elias Bohun spricht, reißt er einen sofort in seinen Bann. Man wird vermutlich nie wieder ein Flugzeug besteigen. Nicht aus ökologischen Gründen, sondern weil einem bewusst wird, was man sonst verpasste!
Elias ist Österreicher und gerade 20 Jahre alt. Anfang des Jahres hat er gemeinsam mit seinem Vater das Reisebüro “Traivelling“ gegründet. Dieses Reisebüro ist auf Bahnreisen in alle Welt spezialisiert.
Direkt nach der Matura wollte Elias mit seiner Freundin nach Asien reisen. Und zwar mit der Bahn. Drei Monate lang wurde jeden Tag mehrere Stunden geplant und organisiert. Nach seiner Rückkehr fragten Freunde und Bekannte um Rat. So entstand die Idee, die gesammelten Informationen und Erfahrungen auch anderen Menschen zur Verfügung zu stellen.
Als ich mit Elias spreche, sitzt er – natürlich – im Zug.

Welches sind die exotischsten Ziele, die ihr anbietet?
Das exotischste Ziel, das nur mit dem Zug erreichbar ist, ist Ho-Chi-Minh City. Wenn man nach Bali möchte, nimmt man zusätzlich noch die Fähre, nach Thailand muss man ein Stück mit dem Bus fahren.
Ansonsten kann man mit der Bahn und einer kurzen Fähre bis in den Oman fahren oder nach Dubai. Das wäre für uns interessant geworden, da dort in diesem Jahr die Expo stattfinden sollte. Da hätten wir gerne ein besonderes Angebot gemacht.
Auch Tunesien und Marokko sind leicht zu erreichen.

Was macht für Dich persönlich den Reiz einer Fernreise per Bahn aus?
Abgesehen davon, dass so eine Reise viel ökologischer ist, ist sie auch viel sozialer. Es ist uns wichtig, die Reisen nicht zum Luxusprojekt zu machen. Daher organisieren wir die Reisen mit ganz normalen öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Geld, das man für so eine Reise bezahlt, kommt also nicht nur der einen Fluggesellschaft zugute, sondern wird viel breiter verteilt. Auch die Verkäuferin in Russland oder der Hotelbesitzer in Kasachstan haben etwas davon.
Es ist aber vor allem auch eine interkulturelle Erfahrung. Man bewegt sich nicht wie sonst häufig in seiner Touristen-Bubble. Man begegnet so vielen Leuten so intensiv. Im Zug ist man auf einer Ebene, weil man dasselbe Abteil benutzt. Die Eigenheiten der Menschen spielen sich direkt vor der eigenen Nase ab.
Man vermeidet auch einen Kulturschock, da man den Wandel der Landschaften und der Kulturen hautnah miterlebt. Der Weg wird zum Ziel. Nach Vietnam hat man eine reine Fahrtzeit von 8 Tagen.
Wir empfehlen aber nicht durchzureisen, sondern die Reise durch kurze Aufenthalte am Weg zu bereichern und sich Städte anzuschauen. So dauert eine Reise nach Vietnam ca. 14-16 Tage. Dies inkludiert dann 4-6 Übernachtungen am Weg. Das Praktische ist ja, dass man abends in den Zug steigt und sich am folgenden Tag die nächste Stadt anschauen kann.

Sind diese Reisen gefährlich?
Nein, absolut nicht: alle Länder sind sicher.
Man muss sich vor Augen führen, dass in diesen Ländern das Verkehrsmittel Bahn ganz anders wertgeschätzt wird. In Europa sind die Autobahnen die wichtigste Verkehrsader, in China und Russland ist das anders. Die Züge dort sind Staatsbahnen, auf die man stolz ist. Es sind dort weite Strecken zurückzulegen, und die Menschen verbringen oft mehrere Tage im Zug. 2/3 aller Hochgeschwindigkeitsstrecken befinden sich in China. Kasachstan hat die modernsten Züge, die ich je gesehen habe. Die Menschen dort sind unglaublich nett!
Häufig gibt es offene Liegewagen, die allein dadurch sicher sind, dass alle mitbekommen würden, wenn etwas passierte. Wenn man alleine reist, ist das eine gute Möglichkeit. Auch allein reisende Frauen fühlen sich sicher.
Eine kleine Gruppe kann aber auch ein eigenes Liegeabteil buchen, das man abschließen kann. Als Familie mit Kindern kann man auch so ein Abteil buchen, dann ist man mehr unter sich.

Womit muss ich schlimmstenfalls rechnen?
Es ist gut sich zu überlegen, wie man eventuelle Sprachbarrieren überwinden kann. Wobei in Kasachstan viele Menschen Englisch sprechen, was in Russland eher nicht der Fall ist.
Wenn man so eine Reise alleine bucht, kann einiges schief gehen. So braucht man z.B. für ein Visum oft eine Ticketbestätigung, aber das Ticket muss vor Ort abgeholt werden. Es kann auch vorkommen, dass Tickets nicht wie verabredet am Schalter hinterlegt werden. Wir haben in mehreren Ländern Kontaktpersonen, die diese Dinge für uns erledigen.
Auch in anderen Belangen ist eine gute Agentur hilfreich. Bucht man beispielsweise selber eine Reise, so ist dies meist nur möglich, wenn man die internationalen Preise zahlt. So kostet eine Fahrt von Rom nach Palermo ein Vielfaches dessen, was man in Rom am Schalter bezahlen muss.
Bei Buchungen über das Internet gerät man möglicherweise auch an unseriöse Agenturen. So kostet zum Beispiel die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn über die gesamte Strecke ab 90€ im Liegewagen, wird aber häufig für 350€ oder mehr angeboten.
Die Transsibirische Eisenbahn ist übrigens sieben Tage unterwegs und auf die Minute pünktlich.

Was hat sich durch Corona verändert? Habt ihr starke Einbrüche?
Reisen außerhalb Europas sind zurzeit nicht buchbar. Glücklicherweise sind die meisten Reisen, die wir organisieren, Langstreckenfahrten innerhalb Europas. Diese Reisen können hoffentlich bald wieder ganz normal stattfinden. Was uns zurzeit die Planung schwer macht ist, dass je nach Land oft ganz unterschiedliche Regelungen gelten.

Erzähle uns von Deinen schönsten / spannendsten Erlebnissen unterwegs
Auf dem Weg von Russland nach Kasachstan hat ein Kellner im Speisewagen plötzlich ein goldenes Mikrophon hervorgeholt und kasachische Volkslieder zum Besten gegeben. Das Mikrophon hatte einen Kirchenhalleffekt. Ein unbeschreibliches Erlebnis!
In Lettland war ein lettischer Chor mit im Zug. Ich habe erfahren, wie schwer man es als Künstler in Russland hat, aber auch, wie sehr die Letten ihre Musik feiern!
Überhaupt ist es unglaublich, wie viele coole Menschen man unterwegs kennenlernt. Zur Not verständigt man sich auch einfach mit Händen und Füßen. Nirgends sonst kann man in so kurzer Zeit so vielen spannenden Menschen begegnen, wie auf einer 16tägigen Zugreise um die halbe Welt.

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Paula