Braunschweiger Aktionstag am 29.2.2024
Es knirscht im Sorge- und Bildungsbereich an alle Ecken und Enden. Überall fehlen Fachkräfte und die, die übrigbleiben und die Arbeit schultern müssen, melden zunehmend ihre Überlastung, werden krank oder wechseln die Tätigkeit, was dann immer noch größere Lücken reißt
- 200 000 Vollzeitkräfte fehlen schon jetzt bundesweit in der Pflege
- 23 800 Lehrkräfte sollen bis 2035 fehlen
- 384 000 Kita-Plätze fehlten 2023
Damit wären nur die drei Bereiche genannt, die in der Öffentlichkeit noch am lautesten diskutiert werden. Andere Sorgebereiche wie die Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigung, die Behandlung von Menschen in psychischer Not oder die Fürsorge für traumatisierte Menschen mit Fluchterfahrung bleiben dabei – um nur drei Beispiele von vielen weiteren Arbeitsfeldern zu nennen – im Hintergrund. Doch auch hier fehlt überall das dringend benötigte professionelle Personal.
Am wenigstens thematisiert wird dabei die Belastung, die die wachsenden Versorgungslücken für Familien, Angehörige und andere unentgeltlich sorgende Menschen haben. Aber wer soll es sonst auffangen, wenn Betreuungs- und Versorgungssysteme immer mehr zu bröckeln beginnen?
In Braunschweig wird am Equal Care Day (29.2.2024) mit einer großen Kundgebung und Demo auf diese gesellschaftliche Krise aufmerksam gemacht. Viele Gruppen, Projekte, Institutionen werden über ihren jeweiligen Sorgebereich informieren. Im Anschluss an die Demo wird in den Roten Saal des Kulturinstitutes zu Fachvorträgen geladen, in denen dann aus wissenschaftlicher Sicht die aktuelle Fehlentwicklung in der Sorge-Arbeit beleuchtet wird.
Die Art, wie mit dieser gesamtgesellschaftlichen Problematik umgegangen wird, erinnert nicht zufällig an den Umgang mit der Klimakrise. Warnungen werden ignoriert, die negativen Auswirkungen der Krise werden banalisiert und ein Gegensteuern ist entweder zu teuer, nicht möglich oder sowieso zu spät.
Wie bei der Klimakrise fragt man sich auch hier, was noch geschehen muss, bevor die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann, endlich zu konsequentem politischem Handeln führt. Eine Ursache für diese – in Bezug auf beide Krisen – sture Veränderungsresistenz mag darin liegen, dass im Marktwirtschaftlichen Denken weder dem Erhalt unseres sozialen Miteinanders, noch dem Erhalt unserer ökologischen Lebensgrundlagen irgendein Wert beigemessen wird. Die gesamte unentgeltliche Sorgearbeit, die an jedem Tag geleistet werden muss, hat bei der Berechnung unseres Brutto-Inlandproduktes genau den Wert: Null. Ähnliches gilt für die Natur: Sie hat nur dann einen Wert, wenn sie sich für Profite ausbeuten lässt. Solange dieser Ausbeutungsmechanismus ungebremst weiterläuft, ist die Eskalation von Care- und Klimakrise unaufhaltsam.
Deshalb ist es sichtig, beide Krisen zusammen zu denken und gemeinsam ein Umdenken einzufordern. Denn sowohl ein gesunder Planet als auch das zwischenmenschliche Kümmern sind zwingend notwendig für das menschliche Überleben und lassen sich nicht bedingungslos kommerzialisieren. Sie sind Grundvoraussetzungen für jegliche Ökonomie und müssen vor Ausbeutung und Erschöpfung geschützt werden. Eine Wirtschaft, die ihre eigene Basis zerstört, nutzt am Ende niemandem.
Höchste Zeit, gemeinsam auf die Straße zu gehen für eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Kehrtwende: Am Donnerstag, 29. Februar um 16 Uhr auf dem Schlossplatz.