Auto-Korrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt

Auto-Korrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt

Braunschweig ist eine Autostadt. Damit wird ein Status Quo beschrieben, der vor allem eines bedeutet, nämlich, dass der Autoverkehr Vorrang hat vor allen anderen Formen der Mobilität – mit all den negativen Folgen, die die Allgemeinheit zu tragen hat: Hohe Kosten, hoher CO2-Ausstoß, gesundheitsschädigende Abgase, Verletzte und Tote durch Unfälle, Einschränkungen und Umwege für Menschen, die anders mobil sind und nicht zuletzt der Verbrauch enormer Flächen, nur um die privaten Autos irgendwo abstellen zu können. Die meiste Zeit steht das Auto nämlich herum. Durchschnittlich wird es nur 45 Minuten am Tag bewegt.

„Wir geben unseren Autos mehr Raum als unseren Kindern und verschenken kostbare öffentliche Flächen, damit Menschen dort ihr ungenutztes Privateigentum abstellen können.“ https://www.fairkehr-magazin.de/archiv/2018/fk-05-2018/titel/flaechengerechtigkeit-in-der-stadt/

In ihrem Buch „Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt“ analysiert die Autorin Katja Diehl sehr genau, wie irrsinnig unsere „Auto-Normalität“ ist. Angefangen beim sturen Festhalten an einem Verzicht auf ein Tempolimit (z.B. 120 auf Autobahnen), obwohl dies von der Mehrheit der Bevölkerung gefordert wird und in jedem Jahr zahlreiche Menschenleben retten würde. Über die Kosten des motorisierten Individualverkehrs, die von allen Menschen mitgetragen werden müssen, auch von denen, die nicht einmal einen Führerschein haben. Bis hin zu den enormen Einsparmöglichkeiten beim CO2-Ausstoß, die eine konsequente und gerechte Mobilitätswende ermöglichen würde, und auf die – trotz Klimakrise und ansteigender Hitze – fahrlässig verzichtet wird – zugunsten des Autoverkehrs.

Katja Diehl zeigt in ihrem Buch anhand zahlreicher Quellen und Studien, dass es bei der Verteilung von Raum und der Ermöglichung von Mobilität immer auch um Machtverhältnisse, Profit und Lobbyismus geht. Sie macht deutlich, dass bei der jetzigen Verkehrsplanung weite Teile der Bevölkerung unberücksichtigt, unbeachtet und ungeschützt bleiben.

Das 9-Euro-Ticket hat hier ein deutliches Zeichen gesetzt. Obwohl nur etwa 3% der Autofahrenden durch das Ticket „umgestiegen“ sind – was in der Kürze der Zeit auch kaum anders zu erwarten war –  waren die Fahrzeuge des Nahverkehrs überfüllt. Gerade das beweist, dass der Mobilitätsbedarf der Nicht-Autofahrenden groß ist und bei der jetzigen Verkehrsplanung überhaupt nicht befriedigt wird. Allein aus Kostengründen müssen Menschen ohne Führerschein und mit geringem Einkommen ihre Mobilität einschränken. Das 9-Euro-Ticket hat gerade für diese Menschen Türen geöffnet und Möglichkeiten geschaffen. Aus diesem Grund fordern Umweltverbände und Klima-Aktive, dass eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets geschaffen wird – als ein wichtiger Baustein für eine gerechte Verkehrswende. Allerdings gehört dazu auch ein Ausbau der Infrastruktur. Nur dann ist eine veränderte Mobilität für alle – auch im ländlichen Raum – ermöglicht.

Daher unterstützen Gruppen wie beispielsweise Parents for Future Germany die Petition von Compact, die von der Bundesregierung fordert: „Verlängern Sie das 9-Euro-Ticket bis Ende des Jahres und sorgen Sie für eine dauerhafte Lösung: ein Klimaticket, das maximal 1 Euro pro Tag kostet.

Investieren Sie in den Ausbau der Bahn und der regionalen Verkehrsangebote, besonders auf dem Land, damit der öffentliche Nahverkehr attraktiver wird. Finanzieren Sie beides durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen wie die Steuervorteile für Firmenwagen.“ (Compact)

Auch Katja Diehl zeigt an Ende ihres Buches Visionen auf, wie eine Mobilität aussehen könnte, die allen gerecht wird – sogar dem Klima. Dabei stellt sie auch Beispiele vor, die bereits verwirklicht werden, z.B. die 15-Minuten-Stadt in Paris, die Superblocks in Barcelona oder die Siemensstadt in Berlin.

Für alle, die neugierig geworden sind, bietet sich am 15. September 2022 um 20 Uhr eine schöne Gelegenheit: Katja Diehl stellt in der Buchhandlung Graff ihr Buch im Rahmen einer Lesung persönlich vor.

Es ist eine gute Gelegenheit, das Thema auch in unserer Stadt zu diskutieren. Schließlich wird in Braunschweig gerade ein Mobilitätskonzept entwickelt und ein ambitioniertes Klimakonzept steht zur Umsetzung an. Es werden also auch in Braunschweig gerade die Weichen für die Zukunft gestellt, und wir brauchen viele laute Stimmen, um aus Braunschweig eine Stadt für alle zu machen.

Denn: Braunschweig ist eine Autostadt – und das sollte nicht so bleiben.

Mehr zum Thema Mobilität findet ihr in unserem Blog unter:

 

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Frieda