Klimagerechtigkeit: Genau jetzt!

Klimagerechtigkeit: Genau jetzt!

Klimastreik am 24. April 2020  – mitten in der Corona-Krise während der Kontaktsperre, während des Shutdowns.
Eine globale Klima-Demo gerade jetzt, wo wir doch ganz andere Probleme haben?
Ja, genau jetzt: Weil gerade jetzt in Europa und anderen Kontinenten wichtige Entscheidungen fällig sind und fallen. Weil jetzt Weichen gestellt werden. Weil es jetzt um viele Milliarden Euro geht und die Frage, wohin, wozu und mit welchen langfristigen Folgen sie ausgegeben werden.
Weil es jetzt darum geht, wie wir in Zukunft leben und auf welchem Weg wir aus dieser Krise herauskommen wollen.

Natürlich muss die Wirtschaft wieder hochgefahren werden. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es höchste Zeit, dass die Läden, Restaurants und Geschäfte öffnen und der Wirtschaftskreislauf wieder in Gang gesetzt wird. Solange das nicht möglich ist, müssen betriebliche und persönliche Insolvenzen durch öffentliche Mittel verhindert oder abgefedert werden.  Es geht darum, Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und soziale Not abzuwenden. Deshalb ist der derzeitige Zustand ein dauerndes Abwägen zwischen den Gefahren des Shutdowns und den Gefahren einer unkontrollierbaren Ausbreitung des Virus. Je länger diese Situation andauert, desto mehr werden wir investieren müssen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln und Unternehmen wie Haushalte vor dem Ruin zu bewahren. Das wird für uns alle sehr teuer werden.

Gönnen wir uns doch einmal einen kritischen Blick auf das, was wir „Wirtschaft“ nennen, bevor wir für die „Rettung der Wirtschaft“ unser letztes Hemd verpfänden.

„Wirtschaft … ist die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen.“ (Wikipedia) Die Wirtschaft ist also ein Waren-, Geld- und Dienstleistungskreislauf, der existiert, damit es uns Menschen gut geht, damit wir mit allem versorgt sind, was wir zum Leben brauchen. Die Wirtschaft ist für uns da – nicht wir existieren als Humankapital für die Wirtschaft. Die Wirtschaftskreisläufe beruhen auf unserer gemeinsamen Arbeit, es ist nicht die Hauptaufgabe der Wirtschaftskreisläufe, uns mit Arbeit zu versorgen. Wenn diese Kausalität sich verdreht, dann haben wir genau die Form von Erwerbstätigkeit, die uns, unsere Psyche, unsere Gesundheit, unser soziales Miteinander und unsere Lebensgrundlagen auf Dauer und trotz unseres vermeintlichen Wohlstands zerstört.

Alternative Ideen zu dem derzeitigen Wirtschaftssystem werden immer wieder angedacht und vielerorts erprobt, so folgen zahlreiche Betriebe oder Genossenschaften inzwischen den Grundlagen der Gemeinwohl-Ökonomie. Ein anderer Ansatz ist die „Care-Revolution-Bewegung“, die in den Fokus rückt, dass ein Großteil der systemrelevanten Arbeit, die geleistet werden muss, in unserer Gesellschaft unterbezahlt ist oder gar nicht entlohnt wird. Noch immer ist es in dieser Gesellschaft lukrativer und scheinbar wertvoller, ein Auto zu bauen als einen Menschen zu pflegen oder ein Kind zu erziehen. Dabei zeigt sich in der Corona-Krise genau die gegenteilige Bedeutung: Die Anschaffung eines Autos kann man in der Regel sorglos für einige Monate verschieben. Aber jeden Tag müssen Menschen gepflegt und gerettet, Kinder betreut, Haushalte mit Lebensmitteln versorgt, Müll fortgefahren und Gebäude gereinigt werden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wird aufgrund der aktuellen Krisenerfahrung wieder intensiv und kontrovers diskutiert.
In der „Wandelbewegung“ treffen viele unterschiedliche Zukunftsprojekte aufeinander, tauschen sich aus und bereichern sich gegenseitig. Die vielfältigen Ideen sind alle längst da, aber unsere „Wachstums-Wirtschaft“ schien für die meisten von uns lange Zeit unveränderlich und in Beton gegossen.

Jetzt aber haben wir mit einem Schlag erlebt, wie schnell unsere Lebensweise sich ändern kann, und dass wir durchaus in der Lage sind, gemeinschaftlich und solidarisch zu denken und zu handeln. Also warum nicht aus dieser Erfahrung heraus ein Wirtschaftssystem anstreben, das menschen- und umweltgerecht, zukunftsfähig und noch dazu krisensicherer ist als das jetzige? Dies ist keineswegs nur eine Forderung der Klima-Bewegung. Auch in der europäischen Politik wird über den Green-Deal verhandelt und in Umweltministerien darüber nachgedacht, wie die notwendige Energiewende genau jetzt beschleunigt werden kann.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat im Auftrag von Greenpeace eine Studie erstellt mit dem Titel: Grüner Marshallplan für Deutschland – Wie notwendige Wirtschaftshilfen die Corona-Krise abfedern und die ökologische Transformation beschleunigen können. In dem 11seitigen Papier wird aufgeführt, welche Maßnahmen jetzt zu einer kurzfristigen Entlastung und welche zudem eine langfristig positive Wirkung auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt entfalten könnten. Auch das aktuelle Diskussionspapier des BUND bündelt  „Investitionen in eine zukunftsfähige Wirtschaft“.

Und – last not least – soll an dieser Stelle auch noch einmal an die Forderungen erinnert werden, die Fridays for Future gemeinsam mit Wissenschaftler*innen schon vor der Corona-Krise erarbeitet haben.

Die derzeitigen Aufbruchsbewegungen haben viele Gesichter, aber sie sind kraftvoll, solidarisch und haben die akuten Gefahren für unseren Lebensraum im Blick. Zukunftsweisende Ideen, Studien, Projekte, Kooperationen, Diskussionen – alles ist bereits am Laufen oder in den Startlöchern. Gute Konzepte könnten – anders als nach der Finanzkrise 2008 – ein Zurück zum „Business as usual“ diesmal verhindern. Nutzen wir die Chancen, die wir jetzt haben!

Klimagerechtigkeit – dafür wird am 24. April 2020 demonstriert, leider nicht auf Straßen und Plätzen, laut und gemeinsam, stattdessen streiken wir im Netz und zeigen wir unsere Plakate und unsere Forderungen online.

Denn wir können und dürfen die drohende Klima-Katastrophe nicht hintenanstellen und so tun, als sei sie durch die Corona-Krise zweitrangig geworden. Im Gegenteil. Es gibt einen guten Zeitpunkt, die Klima-Krise zur Grundlage für politische Entscheidungen zu machen: Der ist genau jetzt.

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Frieda